Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 09

Titan 09

Titel: Titan 09 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
würde zurückkehren, und die Familie würde weiterleben. Die Familie würde nicht zu dritt bleiben. Die meisten Räume des großen Hauses würden nicht verschlossen bleiben, so wie sie jetzt verschlossen waren. Es gab eine Zeit, da hatte das Haus vom Leben eines Dutzend Familienmitglieder geklungen; sie hatten in eigenen Wohnungen unter einem einzigen großen Dach gelebt. Diese Zeit, das wußte er, würde wiederkehren.
    Die drei drehten sich um und verließen die Gruft, schlugen den Pfad zurück zum Haus ein, verschwanden allmählich wie ein großer grauer Schatten im Nebel.
    Im Kamin loderte das Feuer, und das Buch lag auf seinem Schreibtisch. Jerome A. Webster lehnte sich hinüber und hob es hoch, las den Titel noch einmal: Die Physiologie der Marsbewohner, unter besonderer Berücksichtigung des Gehirns, von Dr. med. Jerome A. Webster.
    Dick und respekteinflößend – die Arbeit eines ganzen Lebens. Auf seinem Gebiet fast das einzige seiner Art. Auf den Daten aufgebaut, die während der fünf Seuchenjahre auf dem Mars gesammelt worden waren – Jahre, in denen er fast Tag und Nacht zusammen mit seinen Kollegen der medizinischen Kommission des Weltkomitees, zu einer Hilfsaktion auf den Nachbarplaneten entsandt, gearbeitet hatte.
    Ein Klopfen ertönte an der Tür.
    »Herein!« rief er.
    Die Tür öffnete sich, und ein Roboter glitt herein.
    »Ihr Whisky, Sir.«
    »Danke, Jenkins«, sagte Webster.
    »Der Pfarrer ist gegangen, Sir«, sagte Jenkins.
    »Ach ja. Ich nehme an, du hast dich gut um ihn gekümmert.«
    »Das habe ich, Sir. Gab ihm die übliche Gebühr und bot ihm etwas zu trinken an. Er lehnte das Getränk ab.«
    »Das war ein Umgangsfehler«, erklärte Webster ihm. »Pfarrer trinken nicht.«
    »Es tut mir leid, Sir. Das wußte ich nicht. Er bat mich, Sie aufzufordern, mal in die Kirche zu kommen.«
    »Hmm?«
    »Ich sagte ihm, Sir, daß Sie niemals irgendwohin gehen.«
    »Das war richtig so, Jenkins«, sagte Webster. »Keiner von uns geht jemals irgendwohin.«
    Jenkins ging auf die Tür zu, hielt an, bevor er sie erreichte, drehte sich um. »Wenn ich so sagen darf, Sir, der Gottesdienst in der Gruft war ergreifend. Ihr Vater war ein guter Mensch, der beste, den es je gab. Die Roboter sagten, daß der Gottesdienst sehr angemessen war. Irgendwie würdevoll, Sir. Wenn er dabeigewesen wäre, hätte es ihm Freude gemacht.«
    »Mein Vater«, sagte Webster, »hätte sich sogar noch mehr gefreut, wenn er dich das hätte sagen hören, Jenkins.«
    »Danke, Sir«, sagte Jenkins und ging hinaus.
    Webster saß dort mit dem Whisky, dem Buch und dem Feuer - er fühlte die Behaglichkeit des wohlbekannten Zimmers ganz tief im Innern, fühlte die Sicherheit, die darin lag.
    Das war Heimat. Für die Websters war es Heimat seit dem Tag gewesen, als der erste John J. hierher gekommen war und die ersten Teile des wachsenden Hauses gebaut hatte. John J. hatte den Platz ausgewählt, weil es hier einen Forellenbach gab - jedenfalls sagte er das immer. Aber es war mehr als das. Es muß so gewesen sein, dachte Webster sich, es muß mehr als das gewesen sein.
    Oder vielleicht war es zuerst nur der Forellenbach. Der Forellenbach und die Bäume, und die Wiesen und der Felskamm, wo jeden Morgen der Nebel vom Fluß herüberzog. Vielleicht war alles übrige gewachsen, allmählich mit den Jahren gewachsen, mit den Jahren der Vereinigung der Familie, bis schließlich eben diese Erde mit etwas getränkt war, das nahezu – wenn auch nicht ganz – Tradition war. Etwas, das aus jedem Baum, jedem Felsen, jedem Fußbreit Erde einen Webster-Baum, einen Webster-Felsen oder eine Webster-Scholle gemacht hatte. Es gehörte alles zusammen.
    John }. der erste John ]. war nach dem Zusammenbruch der Städte hierher gekommen; nachdem die Menschen ein für allemal die Zufluchtsorte des zwanzigsten Jahrhunderts aufgegeben hatten. Sie hatten sich freigemacht vom Stammesinstinkt, der sie dazu brachte, gegen einen gemeinsamen Feind oder gegen eine gemeinsame Furcht in einer Höhle oder auf einer Lichtung zusammenzuhalten. Ein Instinkt, der überholt war, denn es gab weder Feinde noch Furcht. Der Mensch erhob sich gegen den Herdeninstinkt, den ihm wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedingungen in vergangenen Epochen aufgezwungen hatten. Eine neue Art von Sicherheit und eine neue Art ausreichender Versorgung machte den Aufbruch möglich.
    Diese Entwicklung hatte vor langer Zeit im zwanzigsten Jahrhundert begonnen; vor mehr als zweihundert Jahren zogen die

Weitere Kostenlose Bücher