Titan 15
auch, daß in dieser Angelegenheit die Weisheit der Checker versagte. Ebenso wußte er, daß nur ein gecranchter Checker am eigenen Leibe die Wut und die Empörung erleben konnte, die ein vorsätzlicher Mord unter den Anderen entflammen mußte. Es war ihm klar, daß die Brüderschaft sich selbst in Gefahr brachte, und er wußte, daß das älteste aller gesetzlichen Privilegien das Todesmonopol war. Selbst die alten Staaten, zur Zeit der Kriege, vor den Tieren, bevor Menschen Ex-und-Hopp gingen, selbst die Alten hatten das gewußt. Wie hatten sie doch gesagt? ›Allein der Staat entscheidet über Leben und Tod.‹ Die Staaten waren verschwunden, doch die Technokratie war geblieben, und sie konnte unmöglich Nachsicht üben gegenüber Dingen, die auf den Erden geschahen, wenn auch außerhalb ihres Einflußbereichs. Tod im Raum war die Sache und das Recht der Checker: wie konnte die Technokratie auch ihre Gesetze dort durchsetzen, wo alle Menschen, die erwachten, nur wach wurden, um sofort in der Großen Qual zugrunde zu gehen? Wohlweislich hatte die Technokratie den Raum den Checkern überlassen, wohlweislich mischten die Checker sich nicht in die Angelegenheiten der Erden ein. Und jetzt auf einmal war die Brüderschaft selbst dabei, sich als Verbrecherbande hervorzutun, als eine Horde von Schurken, dumm und draufgängerisch wie die Stämme der Gebranntmarkten.
Martel wußte das, weil er gecrancht war. Wäre er im Habermann-Zustand gewesen, er hätte allein mit seinem Gehirn gedacht, nicht jedoch mit dem Herzen, den Eingeweiden, seinem Blut. Wie konnten also die anderen Checker diese Dinge wissen?
Zum letztenmal erstieg Vomact die Rednerbühne. »Das Komitee hat seine Versammlung abgehalten, und sein Wille soll geschehen. Als euer Vorgesetzter bitte ich um eure Loyalität und um euer Schweigen.«
Endlich ließen nun auch die beiden Checker Martels Arme los. Er massierte die gefühllosen Hände und schüttelte sie, um wieder Blut in die kalten Fingerspitzen zu bringen. Jetzt, wo er seine Bewegungsfreiheit wiederhatte, begann er zu überlegen, was er nun noch tun könnte. Er checkte sich: der Cranch hielt. Vielleicht hatte er noch einen Tag. Zur Not konnte er auch noch als Habermann weitermachen, aber es wäre unbequem, mit Finger und Nagel sprechen zu müssen. Er blickte sich nach Chang um. Schließlich sah er seinen Freund geduldig und unbeweglich in einer ruhigen Ecke stehen. Martel ging langsam, um nicht mehr als nötig die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er trat Chang gegenüber und brachte sein Gesicht in den Schein des Deckenlichts, dann artikulierte er:
»Was machen wir nun? Du wirst doch nicht zulassen wollen, daß die Adam Stone umbringen? Machst du dir nicht klar, was Stones Arbeit für uns bedeutet, wenn er Erfolg hat? Keine Checker mehr. Keine Habermänner mehr. Keine Qual mehr im Ex-und-Hopp. Ich bin überzeugt, wären die anderen alle gecrancht, so wie ich, dann würden sie die Sache wie Menschen sehen, nicht mit der engstirnigen, wahnwitzigen Logik unserer Versammlungen. Wir müssen sie aufhalten. Wie können wir das tun? Was machen wir jetzt? Was meint Parizianski? Wer hat den Auftrag?«
»Welche Frage soll ich beantworten?«
Martel lachte. (Sogar in dieser Situation tat es gut zu lachen; man fühlte sich menschlich dabei.) »Willst du mir helfen?«
Changs Augen musterten scharf Martels Gesicht, als er antwortete:
»Nein. Nein. Nein.«
»Du hilfst mir nicht?«
»Nein.«
»Warum nicht, Chang? Warum nicht?«
»Ich bin Checker. Die Abstimmung ist zu Ende. Du würdest das gleiche tun, wärst du nicht in dieser außergewöhnlichen Lage.«
»Ich bin in keiner außergewöhnlichen Lage. Ich bin nur gecrancht. Das heißt, ich sehe die Dinge, wie ein Anderer. Ich sehe die Dummheit. Das Risiko. Den Egoismus. Es ist Mord.«
»Was ist Mord? Hast du nicht auch oft getötet? Du bist nun einmal nicht einer von den Anderen. Du bist Checker. Du wirst bereuen, was du jetzt tun willst. Nimm dich in acht!«
»Aber warum hast du dann gegen Vomact gestimmt? Hast du nicht gesehen, was Adam Stone für uns alle bedeutet? Checker sind dann passé – Gott sei Dank! Willst du das nicht begreifen?«
»Nein.«
»Aber du sprichst doch mit mir, Chang. Du bist mein Freund – oder nicht?«
»Ich spreche mit dir. Ich bin dein Freund. Warum nicht?«
»Aber was wirst du tun?«
»Nichts, Martel. Nichts.«
»Hilfst du mir?«
»Nein.«
»Nicht einmal um Stone zu retten?«
»Nein.«
»Dann will ich Parizianski um
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