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Titan 20

Titan 20

Titel: Titan 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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erinnerte sich seiner tiefen Brandwunden und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die verwundeten Stellen, konnte aber keine Schmerzbotschaft von den versengten Nervenenden wahrnehmen. Er verstärkte seine Atemtätigkeit, konnte aber die schnellen Messer nicht entdecken, die ihn bei jedem Atemzug gestochen hatten, als er im blauen Schatten der Gasse gestanden hatte.
    Er erinnerte sich jener, die sich ihm angeschlossen hatten, und die er verloren hatte. Die Trauer war tief und langanhaltend und still. Daylya und all die anderen. Seine Schuld, die aus seiner Ungeduld geboren war. Hätte er nur gewartet, wäre er ein wenig stärker geworden, hätte er gründlicher geplant ...
    Sein Ohr nahm das Rascheln von Gras an einem sich nähernden Fuß wahr. Fingerspitzen berührten die Brust über seinem Herzen. Er öffnete die Augen einen Spalt weit und sah die Gestalt, die sich über ihn beugte, sah, wie sie sich vor dem Himmel abzeichnete. Die Gleichung war einfach. Sobald einmal alle Verbündeten tot sind, die man hatte, sind alle, die noch übrig bleiben, Feinde.
    Andro schlug mit der geballten Faust zu, legte die ganze Kraft seiner Schulter- und Rückenmuskeln in den Schlag. Er rollte sich auf Hände und Knie und sprang auf, taumelte ein wenig von seiner Schwäche. Er stand unter einem fremden Himmel, nahe bei dem mächtigsten Baum, den er je gesehen hatte, und blickte auf die bewußtlose Gestalt einer Frau herunter. Sie trug ein togaähnliches Kleidungsstück von limonengelber Farbe, einen breiten Gürtel, an dem kleine, unbekannte Geräte hingen. Ihr Haar hatte die Klarheit und Reinheit des weißen Wassers, das ein paar Meter von ihm entfernt sanft plätschernd in einen tiefen Tümpel fiel. An ihrem Kinn begann sich die Stelle, wo seine Faust sie getroffen hatte, zu verfärben. Er stand da und wartete, lauschte nach anderen. Aber außer dem Wasser und dem Wind war kein Laut zu hören. Er beugte sich über sie und betastete ungeschickt ihr Kinn. Der Knochen fühlte sich unter seinen Fingern nicht so an, als wäre er gebrochen.
    Dabei erinnerte er sich seiner Verletzungen. Er blickte an sich hinab und fand etwas Seltsames. Die Haut über den Wunden war glatt und fest und gesund, und er hätte gedacht, die Wunden nur geträumt zu haben, wäre da nicht die ungebräunte Blässe der neuen Haut gewesen.
    Wieder blickte er auf die Frau hinab und furchte die Stirn. Der Boden der Gasse hatte unter ihm nachgegeben, und er war in die Schwärze gefallen. Die Frau stand in irgendeiner Weise mit jenem Phänomen in Verbindung. Im Augenblick war sie hilflos, und doch versprachen die Geräte an ihrem Gürtel, daß sie vielleicht nicht hilflos bleiben würde. Er rollte sie zur Seite und suchte nach einer Stelle, wo man den Gürtel öffnen könnte. Er schien keine Schließe zu haben und lag zu eng an, als daß man ihn ihr über die schlanken Hüften hätte schieben können. So begnügte er sich damit, die kleinen Geräte auszuhaken. Er hatte keine Ahnung, wozu sie dienten, und doch verkündete ihr Glanz Wirksamkeit und Nützlichkeit. Es waren sechs. Er trug sie vorsichtig auf der Hand und legte sie hinter einen Stein. Er mußte seine ganze Kraft einsetzen, um einen Streifen vom Saum der limonengelben Toga zu reißen. Er benutzte den Streifen dazu, ihr die Hände am Rücken zusammenzubinden, wobei er den Knoten so anbrachte, daß ihre Finger ihn nicht erreichen konnten. Als er den Knoten spannte und dabei den rechten Arm ausstreckte, sah er, daß die Tätowierung an seinem Oberarm verschwunden war. Wo sie gewesen war, war ebenfalls blasse, gesunde Haut zu sehen.
    Andro setzte sich ein Stück von der Frau entfernt ins Gras und wartete darauf, daß sie wieder zu Bewußtsein kam. Er versuchte zu erraten, was geschehen war. Er trug immer noch den Kampfanzug aus Leder und Metall, aber sein Umhang war verschwunden. Er erinnerte sich daran, daß er ihn abgerissen hatte, als er zu brennen begann, erinnerte sich, daß er ihn weggeworfen hatte, als er das sterbende Mädchen aufgehoben und es aus dem Wrack seines Schiffes getragen hatte. Der Kampfrock zeigte Brandspuren. Die Lederstreifen, die seine Sandalen hielten, waren geschwärzt, und an seinen Schenkeln und Knöcheln war das Haar verbrannt. Das Halfter an seiner Hüfte war leer.
    Das Gesicht der Frau war ihm zugewandt, als sie die Augen aufschlug. Ihre Augen waren vom klaren Grau, und sie sahen nichts. Jetzt erfaßten sie ihn, und der Blick von Intelligenz, der in sie trat, gefiel ihm nicht. An

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