Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
begegnet zu sein – obgleich der Mann natürlich unter den gaffenden Zuschauern gestanden haben mochte, die ihn neugierig angestarrt hatten, als der Herr ihn aus dem Ödland mitgebracht hatte.
»Was machst du da?« fragte Tyl und kam näher. Ein gelber Haarschopf baumelte seitlich an seinem Kopf.
»Komm und kämpfe mit mir!« rief Var. Die Bedeutung seiner Worte war unmißverständlich.
Tyl war wütend, aber er betrat den Ring nicht. »In der Dunkelheit wird nicht gekämpft«, sagte er. »Und außerdem möchte ich nicht mit dir kämpfen, wenn es mir auch ein großes Vergnügen wäre, dir deinen häßlichen Schädel blutig zu schlagen und dich heulend durch die Felder zu jagen. Also hör auf, dich wie ein Narr aufzuführen!«
Felder? Var spürte eine undeutliche Erinnerung aufsteigen.
Nun fanden sich andere ein, Männer, Frauen, aufgeregte Kinder. Sie starrten Var an, und er empfand, daß er jetzt eine noch viel lächerlichere Figur machte als vorhin im großen Zelt.
»Laßt ihn in Ruhe«, sagte Tyl und suchte mit einem beinahe komischen Schwenken seines Schopfes wieder sein Zelt auf. Die anderen zerstreuten sich, und bald stand Var wieder allein da. Seine Kampflust hatte alles nur noch viel schlimmer gemacht. Niedergeschlagen ging er nun dorthin, wo er Trost, wenn auch noch so zynisch vorgebracht, finden konnte; er suchte das einsam stehende Zelt seiner Reisegefährtin auf, der Frau des Herrn.
»Ich befürchtete, daß es so kommen würde«, sagte sie sonderbar leise. »Ich werde zu Tyl gehen und ihm sagen, er solle dir ein Mädchen aussuchen. Du sollst nicht um diese Nacht betrogen werden.«
»Nein!« rief Var aus, entsetzt, daß nun eine Frau bei einem Feind für ihn Fürsprache einlegen wollte. Menschliche Sitten und Gebräuche waren ihm zwar fremd, doch dies war eine Schande, das spürte er genau.
»Auch das habe ich vorausgesehen«, sagte sie philosophisch gelassen. »Deswegen ließ ich mein Zelt in einiger Entfernung vom Hauptlager aufstellen.« Var verstand nichts mehr.
»Komm herein, leg dich nieder«, sagte sie. »Es ist nicht so arg, wie du glaubst. Ein Mann bewährt sich nicht an einem einzigen Tag oder während einer Nacht. Die Jahre sind es, die seinen wahren Wert zeigen.«
Var kroch ins Zelt und legte sich neben sie. Er kannte diese Frau eigentlich nicht sehr gut. Während all der Jahre, die der Herr seiner Ausbildung gewidmet hatte, hatte sie sich stets abseits gehalten und ihn bloß im Rechnen unterrichtet. Dank ihr konnte er nun bis hundert zählen und einfache Rechnungen ausführen. Diese Rechnungen waren in seinen Augen schwierig und sinnlos. Er hatte die Stunden gehaßt, und Sola hatte das Ihre getan, daß er sich besonders dumm vorkommen mußte. Doch der Herr hatte darauf bestanden. Vars Begegnungen mit ihr hinterließen keinen besonders positiven Eindruck.
Wie erstaunt war er daher, als man sie beauftragte, ihn zur Männlichkeitsprobe zu begleiten – oder hatte sie es sogar freiwillig getan? Eine Frau! Es sollte sich zeigen, daß sie auch in den Angelegenheiten der Männer sehr bewandert war. Sie war sehr gut zu Fuß, so daß sie täglich eine hübsche Strecke zurücklegten, und sie kannte den Weg. Als sie Fremden begegnet waren, hatte sie das Reden übernommen. Die Nächte hatten sie in den Herbergen verbracht, obwohl ihm zum Übernachten noch immer ein Baum viel lieber war. Sie hatte sich abseits gehalten, hatte jedoch beim Duschen ihren Körper nicht ganz verhüllt und auch nicht, als sie sich für die Nacht umzog, und das hatte ihn nicht wenig gequält. Seine Natur war tierhaft. Jede Frau, auch wenn sie so alt war wie diese, reizte ihn. Und sie kannte seine Herkunft und wußte um seine tierhafte Sinnlichkeit.
Und nun, in diesem fremden, abweisenden Lager, durch seine Mißerfolge zutiefst gekränkt, war er zu ihr gekommen, zu seinem einzigen Kontakt mit seinem einzigen Freund, dem Herrn.
»Du hast also die jungen Mädchen gefragt und sie haben dich ausgelacht«, sagte sie. »Ich hätte dir Besseres gewünscht, aber ich war schließlich selbst jung und ebenso beschränkt. Damals hielt ich Macht für das Wichtigste, Macht und die Ehe mit einem Führer. So verlor ich den Mann, den ich liebte, und jetzt bereue ich es.«
So hatte er sie noch nie reden gehört. Var lag still da. Im Augenblick genügte es ihm zuzuhören. Das war besser, als an seine Demütigung denken zu müssen. Sie meinte damit natürlich ihren früheren Mann Sol aller Waffen, der sein Imperium an den Herrn
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