Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
wußte keine Antwort darauf.
»Klingt das nicht recht vernünftig? Glaubst du, unser Vertreter könnte den ihren im Einzelkampf besiegen?«
Var bezweifelte nicht, daß der Herr einen jeden, den ihm die Unterwelt entgegenschicken würde, besiegen konnte. Er nickte.
Der Herr zog eine Karte hervor. »Das hier ist der Berg. Siehst du, wie sich die Höhenlinien zusammendrängen?«
Wieder nickte Var.
»Das bedeutet, daß der Berg an dieser Stelle außergewöhnlich steil ist. Als ich ihn vermaß, sah ich, daß ich ihn nicht besteigen konnte. Jedenfalls nicht so ohne weiteres. Dafür bin ich zu ungeübt. Und am Gipfel liegen große Felsblöcke.«
Var sah nun vor seinem geistigen Auge, wie diese Blöcke von einem flinken Kletterer zufällig ins Rollen gebracht, einem langsamen auf den Kopf fielen. Der Namenlose war im Kampf unschlagbar, doch solche in Bewegung geratene Felsblöcke konnten ihn daran hindern, überhaupt den Gipfel zu erreichen. Vielleicht hatte man diesen Schauplatz eigens gewählt, damit man seine Teilnahme unterband und die Wahl eines geringeren Kämpfers erzwang.
»Dann also – ein anderer? Wir haben viele gute Krieger.« Var sagte »wir«, obgleich er wußte, daß er noch nicht Teil des Imperiums war.
»Das wird eine Kletterprobe und nicht nur einen Kampfwettstreit geben. Und uns bleiben zur Vorbereitung nur zwei Tage, denn heute haben wir nach dem Unterweltkalender schon den vierten August.«
»Morgen in aller Früh gibt es einen Kletterwettbewerb!« schlug Var vor, wohl wissend, daß seine Worte der Aufregung wegen unverständlich klangen, aber der Herr würde sie schon erfassen.
Der Waffenlose lächelte matt. »Und du befürchtest keinen Betrug?«
Nein, bislang nicht. Doch ihm war klar, daß die Nomaden wie ursprünglich geplant, immer noch den Berg gewaltsam nehmen konnten, wenn der Herr des Berges die durch die Wettkämpfer gefällte Entscheidung nicht anerkannte. Ein Versuch wäre also lohnenswert.
Der Waffenlose konnte seine Gedanken ausloten. »Also gut. Sag Tyl, er soll fünfzig der besten Krieger für einen Kletterwettbewerb auswählen. Heute abend nehme ich Kontakt mit dem Berg auf. Und morgen machen wir Übungen am Mount Muse.«
Sehr optimistisch wirkte er dabei nicht.
*
Am Tage des Wettbewerbs stand Var bei Tagesanbruch am Fuße des Mount Muse und wartete ab, bis das Licht zum Klettern ausreichte. Besser gesagt, ausreichend für die anderen war, denn deren Augen waren im Dunkeln nicht so gut wie Vars. Er hatte gewußt, daß dies seine Aufgabe sein würde, damals, als der Herr sich mit dem Wettkampf einverstanden erklärte. Var, mit seinen verhornten Händen, den hufähnlichen Füßen, seinem jahrelangen Leben in der Wildnis war der geschickteste Kletterer des Lagers.
Klar, daß man ihn aufgestellt hatte. Und da er nicht zum Imperium des Herrn gehörte, konnte kein Mensch ihm die Teilnahme streitig machen.
Tyl hatte ihn lächelnd angesehen und nichts gesagt.
Und um die Mittagszeit hatte Var den Bewerb gewonnen.
»Aber er ist im Ring doch noch ein Neuling!« protestierte der Herr, den diese Entwicklung nicht wenig erstaunte.
Tyl lächelte. »Das hier sind die drei rangnächsten Gewinner. Soll er doch gegen sie antreten.«
Der Waffenlose, der seinetwegen sehr besorgt war, zeigte sich einverstanden. Noch von seiner vormittäglichen Anstrengung ermattet, stand Var nun dem Mann gegenüber, der zehn Minuten nach ihm den Gipfel erreicht hatte. Hätte es sich schon um den Kriegerwettbewerb auf dem Gipfel des Muse gehandelt, so hätte Var ausreichend Zeit gehabt, den Mann zu einem Krüppel zu machen, indem er Felsblöcke auf ihn niederrollen ließ. Und das war der eigentliche Sinn des Kletterwettbewerbes: Der beste Krieger des Imperiums würde im Nachteil sein, wenn er sehr viel langsamer kletterte als der, den der Herr des Berges sandte. Und wenn es dann zum eigentlichen Kampf kam, dann mußte er erst recht besser sein als der andere.
Der zweite im Klettern war ein hagerer Stangenkämpfer, der sich beim Klettern seiner Waffe sehr klug bedient hatte. Var trat in den Ring und ging im Geiste die Ratschläge durch, die der Herr und Tyl ihm gegeben hatten. Stock gegen Stange. Die Stockrapiere waren schneller, die Stangen länger. Stöcke waren aggressiv. Stangen passiver. Stöcke konnten eine doppelte Offensive starten, aber die Defensive eines guten Stangenkämpfers war kaum zu durchdringen. Und wenn der Stock nicht frühzeitig einen Durchbruch errang, würde die Stange schließlich
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