Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
eine gute Gelegenheit erspähen und punkten.
Der Stangenkämpfer war sich dieser Faktoren ebenso bewußt wie Var, und er war weitaus erfahrener. Sein Vorteil war die Zeit, und die wollte er sich offensichtlich zunutze machen. Er wehrte die Attacken nach herkömmlicher Weise ab, machte keine Fehler und forderte Var praktisch zum Angriff heraus.
Und Var tat ihm den Willen. Er attackierte die Waffe und nicht den Kämpfer und schuf damit eine Ablenkung, die er nützte und nach einer Öffnung Ausschau hielt. Er führte Scheinangriffe gegen den Kopf, gegen die Füße, gegen die Handknöchel, solange bis der Mann in seinen Reaktionen langsamer wurde und vor allem unachtsamer.
Sodann richtete Var heftige Schläge auf Kopf und Körper gleichzeitig. Die Stange erwiderte wirbelnd beide Angriffe, aber nicht schnell genug – das vorherige einschläfernde Zwischenspiel hatte gewirkt. Der Hieb auf den Kopf ging daneben, der Angriff auf den Körper aber saß. Mindestens eine Rippe war gebrochen.
Als der Mann sich krümmte und mit seiner Stange auf Vars ausgestreckten Arm zielte, trat Tyl an den Ring. »Blut ist geflossen«, sagte er. »Zieh dich zurück.«
Var hatte gewonnen. Der erreichte Vorteil hätte ihm normalerweise im weiteren Verlauf des Kampfes den Sieg gebracht, und mehr hatte er nicht zu beweisen brauchen. Es hatte keinen Sinn, sich völlig zu verausgaben. Ein Sieg auf dieser Grundlage würde sich bei dem morgigen echten Kampf höchstens gegen ihn auswirken.
Der nächste Gegner war ein Dolchkämpfer. Var zitterte insgeheim, denn Messer waren schnell wie Stöcke, und der Kontakt mit ihnen weitaus gefährlicher. Schwert und Keule konnten sehr eindrucksvolle Waffen sein, ein geschickt geführter Dolch jedoch war im Ring unter Umständen verheerend.
Ein solcher Dolch mußte aber auch richtig gehandhabt werden. Die Flachseite der Klinge war meist wirkungslos, und zum Abwehren gegnerischer Hiebe waren Dolche ungeeignet. Als Angriffswaffen waren sie zwar gut, aber doch weniger wirksam als die einem doppelten Zweck dienenden Stöcke.
Var blieb keine andere Wahl. Er mußte gegen die Klinge antreten und war damit gezwungen, sich in erster Linie auf seine Verteidigung zu konzentrieren. Wenn es ihm gelang, eine Blöße in der Deckung des Gegners auszumachen, ohne daß er selbst seine Deckung opfern mußte, dann konnte er die Runde zu seinem Vorteil wenden. Wenn nicht…
Zunächst führte der Dolch Scheinangriffe aus, und Var mußte ihnen auf herkömmliche Weise begegnen, wie es vorhin der Stangenkämpfer gegen ihn gehalten hatte. Und in weiterer Folge würde der Kampf ähnlich enden, nur würde diesmal er das Opfer sein, wenn es ihm nicht gelang, dieses Schema einmal zu durchbrechen.
Der Dolch ermüdete rasch. Es war ein älterer Mann, etwa im Alter des Herrn. Seine Erfahrung hatte es mit sich gebracht, daß er im Klettern einer der Besten war, doch beim Zweikampf forderte nun das Alter seinen Tribut. Das Nachlassen seiner Reaktionen war kaum merkbar, aber Var spürte, daß das Gleichgewicht sich langsam aber sicher zu seinen Gunsten verschob.
Kaum war ihm dies klargeworden, wußte er auch, daß der Sieg ihm so gut wie sicher war. Mit wachsendem Selbstvertrauen wehrte er die Klingenstöße ab. Und allmählich drängte er den Mann zurück, parierte immer flinker, bis schließlich der hart bedrängte Dolch einen Fehler beging, eine kleine Wunde an der Hand abbekam und zum Verlierer erklärt wurde.
Der Dritte war ein Stockkämpfer. »Ich bin Hul«, sagte er.
Var, den die zwei Begegnungen im Ring und der morgendliche Kletterwettkampf doch ziemlich erschöpft hatten, wußte sogleich, daß er seine Stellung als Wettkämpfer des Imperiums verloren hatte. Denn der Stockkämpfer war einer derjenigen, vor denen Tyl ihn gewarnt hatte, ein Spitzenkönner. Stock gegen Stock. In diesem Fall gab es für Var keinen Vorteil außer den der größeren Übung, und gegen diesen Mann konnte er sie nicht ins Treffen führen.
Hul blieb außerhalb des Ringes stehen. »Var der Stock«, sagte er mit wohlklingender Stimme. »Ich habe dich beobachtet und abgeschätzt. Ich könnte dich im Ring besiegen. Nächstes Jahr vielleicht nicht mehr, aber heute schaffe ich es. Aber ehe du zu Boden gehst, würdest du mir sicher eine Verletzung zufügen, denn du bist stark und entschlossen. Damit wäre ich dann morgen auf dem Berg behindert, und der Fall für das Imperium von vornherein benachteiligt. Überläßt du mir kampflos deinen Platz?«
Diese Bitte
Weitere Kostenlose Bücher