Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
elend sein ließ, seitdem der Herr sich von ihm abgewandt hatte. Einen Freund zu haben, ja, das war das Allerwichtigste.
Im Norden vor ihnen lag nun die See und versperrte ihnen mit ihrer salzigen Weite den Weg. Die Verfolger rückten immer näher. Die abweisenden Eingeborenen gaben ihnen mit zynischer Befriedigung zu verstehen, daß sie in der Falle saßen. Im Westen und Süden war das Meer; im Norden der ewige Schnee und im Osten zwei zu allem entschlossene Krieger.
»Als einziges bleibt der Tunnel«, murmelte ein Ladeninhaber mürrisch.
»Tunnel?« Var dachte an den Untergrundbahn-Tunnel in der Nähe des Berges. In einer solchen Röhre konnte man sich gut verstecken. »Strahlung?«
»Wer weiß das? Da kommt niemand mehr heraus.«
»Aber wohin führt der Tunnel?« fragte Soli.
»Hinüber nach China vielleicht.« Mehr wollte er ihnen nicht sagen. Mehr wußte er wahrscheinlich auch gar nicht.
»In China gibt es auch ein Helicon«, sagte Soli später. »Es heißt zwar anders, aber es ist dasselbe. Manchmal tauschten wir mit denen Nachrichten aus. Über Funk.«
»Aber wir kämpfen gegen den Berg!«
»Der Namenlose kämpft gegen ihn. Oder hat ihn bekämpft.
Sol nicht. Wir nicht. Und es handelt sich um ein anderes Helicon. Vielleicht können wir von dort aus mit Sol Kontakt aufnehmen. Ich weiß nämlich in etwa, wo es liegt.«
Var blieb schwankend, hatte aber keine bessere Alternative anzubieten. Falls es einen Fluchtweg gab, mußte er ihn ausprobieren.
Der Tunneleingang war riesig, so groß, daß er dem größten Irren-Traktor Platz geboten hätte, ja sogar mehreren nebeneinander. Die Decke war gewölbt, die Wände etwas gekrümmt, ob mit Absicht oder als Folge eines beginnenden Zusammenbruchs, konnte Var zunächst nicht beurteilen. Aber bei näherer Untersuchung erwiesen sich die Wände als völlig verläßlich. Den Boden bedeckte eine feste Schmutzschicht, Metallschienen waren nicht vorhanden. Es war ein dunkles Loch.
»Wie die Unterwelt«, sagte Soli ungerührt. »Hinter dem Vorratsraum liegt eine alte Untergrundbahn mit Ratten darin. Ich spielte dort einige Male, aber Sosa sagte, der Bereich könnte strahlenverseucht sein.«
»Ja, das war er«, sagte Var.
»Woher weißt du das?«
Er berichtete von seinem Erkundungsgang. »Aber der Herr sagte, sie würde es ihnen sagen, und man würde uns Fallen stellen. Deswegen haben wir keinen Gebrauch davon gemacht.«
»Sie hat nichts gesagt. Bob wußte von der Untergrundbahn, doch er sagte, die Geigerzähler hätten angezeigt, daß der Tunnel unpassierbar sei. Deswegen befürchtete er von dieser Seite nichts. Als du dann kamst, war die Strahlung sicher schon geringer, aber Sosa verriet kein Wort.«
Also hätten sie über diesen Weg eindringen können! Warum hatte Sosa nichts verraten?
Dann fiel es ihm ein: Sos – Sosa. Irgendwann in der Vergangenheit war sie seine Frau gewesen, und sie mußte ihn immer noch lieben. Deswegen hatte sie nichts verraten. Aber er glaubte, sie hätte es gesagt, und als Folge davon hatte der Kampf an der Oberfläche begonnen. Nur eine Ironie unter vielen.
Soli zündete eine ihrer zwei Laternen an und marschierte voran. Var blieb nichts übrig, als ihr zu folgen.
War es möglich, daß diese große Röhre tatsächlich den ganzen Ozean unterquerte? Wie schützte man sich da bloß vor Wassereinbrüchen?
Und warum kam niemand mehr heraus, wenn doch einige hineingegangen waren? Wenn Strahlung der Grund dafür war, dann würde er rasch dahinterkommen. Doch er fürchtete, daß es einen anderen Grund dafür gab. Im Randgebiet der Strahlung gab es, wie er wußte, viele andere Gefahren. Tiermutationen, angefangen von todbringenden Faltern bis zu Riesenamphibien und harmlosen Formen wie dem leuchtenden Sperling. Und was würde es hier geben?
Tief drinnen im Tunnel waren die Wände mit Fliesen ausgelegt.
Das war sauber und viel schöner als das kahle Metall und Beton. Die Eingeborenen mußten die Fliesen in der Nähe des Ausgangs herausgerissen und für ihre Zwecke verwendet haben, hatten sich aber nicht weiter hineingewagt. Auch der Schmutz auf dem Boden wurde geringer, so daß sie nun auf der feinen grauen Fläche eines im Detail rauhen Materials marschierten, das aber als ganzes herrlich glatt war. Zum Laufen hervorragend geeignet, weil die Füße darauf gut hafteten.
Aber wie lange konnte es so weitergehen? Nach einem flotten Marsch von einer Stunde fragte er Soli: »Wie weit erstreckt sich der Ozean?«
»Jim hat mir eine Karte
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