TITANIC-WORLD
Esszimmertisch und ließ sich ächzend auf einem Stuhl nieder, während sie erbost ausrief: „Ich hätte große Lust, diesem kleinkarierten Heini mal anständig den Marsch zu blasen! Unser Echo und das Intranet reichen ihm wohl nicht aus! Jetzt verbreitet er seine Moralpredigten auch noch in der Sun ! Was kommt als Nächstes? Ein Fernsehinterview? Der Teufel soll ihn holen!“
Claire verbiss sich das Lachen und goss eine Tasse Tee für ihren unverhofften Gast ein. Es hatte sich als fruchtloses Unterfangen heraus gestellt, Mrs. Harding zu erklären, dass das world-wide-web Inter -net hieß und dass es sich bei einem Intra -net um ein firmeninternes Netzwerk handelte. Sie stellte die Tasse vor ihre Nachbarin und warf einen Blick auf die aufgeschlagene Seite. Die Schlagzeile fiel ihr sofort ins Auge und ließ sie den Inhalt schon erahnen, bevor sie ihn kurz überflog. Dann sagte sie mit bitterer Ironie: „Phil gehen langsam die Ideen aus. Den gleichen Titel und einen ähnlichen Inhalt gab es bereits vor einiger Zeit in einer französischen Zeitung. Unsere Erlebniswelt als Une danse macabre hinzustellen macht deutlich, wie wenig Ahnung er von der TITANIC-WORLD wirklich hat. Unsere Publicity wird nicht darunter leiden, wohl aber das Ansehen des Vereins. Bald werden die Leute keinerlei Interesse mehr daran haben, diese ewig gleichbleibenden Hasstiraden zu lesen. Er wird sich etwas Neues einfallen lassen müssen, um die breite Öffentlichkeit bei der Stange zu halten.“
Mrs. Harding trank einen Schluck Tee und sah Claire über den Rand ihrer Tasse an. „Es trifft dich nicht mehr, was?“ Sie nickte grimmig und fügte hinzu: „Gut. Das ist gut.“
Claire blickte für einen Moment aus dem Fenster. Nein, es tat nicht mehr weh. Die Trauer war noch da; nicht mehr der Schmerz. Sie schüttelte den Kopf und um einen sachlichen Tonfall bemüht, sagte sie: „Vor der Eröffnung hatten wir tausend Gründe, die uns Anlass zur Besorgnis gaben und ich müsste lügen, wenn ich sagte, die Aktionen von Phils Verein hätten nicht dazu gehört. Aber das ist vorbei. Er kann uns keinen Schaden mehr zufügen. Die Menschen lieben unsere Erlebniswelt. Wir verkaufen jetzt sogar bis zu fünfhundert Tickets extra an der Tageskasse. Es gibtimmer wieder Leute, die sich ganz spontan zu einem Besuch entscheiden, weil sie gerade in der Gegend sind.“ Sie trank einen Schluck Tee. Als sie weitersprach, schwang Stolz in ihrer Stimme mit. „Die Menschen kommen mit den unterschiedlichsten Erwartungen zu uns und wir enttäuschen keinen. Jeder, der unsere Erlebniswelt besucht, geht mit seinem eigenen, kleinen Stück TITANIC wieder nach Hause. Ob es die Erinnerung an die Artefakte ist oder das nachhaltige Gefühl TITANIC hautnah erlebt zu haben, spielt dabei keine Rolle. Mit der TITANICWORLD haben wir eine Museumsform ins Leben gerufen, die es jedem ermöglicht, sofort in einen geschichtlichen Zeitabschnitt einzutauchen, ohne mindestens drei langweilige, oft unverständliche Fachbücher gelesen zu haben. Unsere Erlebniswelt ist wie ein 3-D-Fernseher – man fühlt sich einfach mitten im Geschehen.“
Mrs. Harding tätschelte Claires Hand. Ein anerkennendes Lächeln breitete sich in ihrem energischen Gesicht aus und machte es ganz weich, als sie sagte: „Ich bin froh, dass deine Arbeit dir Freude macht und es macht mich mächtig stolz, dass du dir dein neues Leben von diesem Miesepeter nicht madig machen lässt. Es gibt bestimmt viele Frauen, die, wie du, den Job angenommen hätten, aber nur sehr wenige würden es aushalten, dass daran ihre Beziehung zerbrochen ist. Die meisten hätten sich längst einen neuen Wirkungskreis gesucht und versucht, den Mann zurück zu gewinnen. – Leider neigen die meisten Frauen dazu, den unteren Weg zu gehen. Dem Himmel sei Dank, du gehörst nicht dazu.“
Mit diesen Worten stand sie auf. Claire erhob sich ebenfalls. Sie bedankte sich bei Mrs. Harding für die aufmunternden Worte und sagte zum Abschied: „Wie wär’s, wenn ich am Freitag auf einen Sprung bei Maggie vorbei schaue? Ihr trefft euch doch noch, oder?“
„Ja, dass tun wir. Und es wäre schön, wenn du endlich mal wieder mit von der Partie wärst. Meine Nichte hat mir so einen grünen Likör geschenkt, aber alleine trau‘ ich mich nicht, den zu trinken. Sieht aus, wie Gift.“ Mit einem Mal trat ein verräterisches Funkeln in ihre Augen und mit einem boshaften Lächeln fügte sie hinzu: „Weißt du was? Falls uns von dem Zeug schlecht wird, kauf‘
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