TITLE
Indiskretion durchschaute. Gleichzeitig zog ich von meinem Finger einen schönen Brillantring, den ich sie bat, zum Andenken an die originelle Weise anzunehmen, auf welche wir miteinander Bekanntschaft gemacht. Als wir noch so miteinander sprachen, trat die Königin ein und hatte die Güte, sich selbst bei Inglesina zu erkundigen, ob ich auch gut Sorge für sie getragen. Inglesina antwortete, indem sie lebhaft meine Hand ergriff und dieselbe küßte, ehe ich noch Zeit hatte, es zu verhindern. Die Königin fragte weiter, und Inglesina ersah daraus, daß sie anden Ereignissen in Frankreich und an den Gefahren, in welchen ihre Schwester schwebte, ein ganz anderes Interesse nahm, als die Herzogin von Parma. Als die Königin dann sah, wie die arme Inglesina trotz der Ehrfurcht, welche die Nähe der Königin ihr einflößte, stehend einschlief, gestattete sie ihr, sich zu Bett zu legen. Unter der Tür rannte Inglesina aber fast mit dem General Acton zusammen, welcher, obschon erst auf morgen bestellt, doch, weil er wußte, daß es sich um einen Boten oder vielmehr um eine Botin aus Frankreich handle, eiligst herbeikam, um seinen Eifer zu beweisen und sich der Königin zur Verfügung zu stellen. »Ich bitte um Verzeihung, Madame,« sagte er, »eben wollte ich mich anmelden lassen, als Mademoiselle die Tür öffnete und ich mich Ew. Majestät gegenüber sah.« – »Kommen Sie schnell, General!« sagte die Königin. »In solchen Augenblicken wie diese kann von Etikette keine Rede mehr sein. Sie wissen, was vorgeht, Sie wissen, daß meine Schwester und ihr Gemahl Gefangene in den Tuilerien sind. Ludwig der Sechzehnte befindet sich genau in derselben Lage wie Carl der Erste von England. Man wird ihm den Kopf abschlagen wie diesem.« – »O Madame,« sagte der General, »glauben Sie, man übertreibt.« – »Kommen Sie noch einmal herein, Inglesina, kommen Sie noch einmal herein,« rief die Königin, »und sagen Sie ihm wie die Dinge stehen. Diese Kaltblütigkeit könnte mich zur Verzweiflung bringen.« – »An welchem Tage haben Sie Paris verlassen?« fragte der General die wieder eintretende Inglesina. – »Nun, mein Gott,« rief die Königin ungeduldig, »an dem Tage, wo alles verloren war.«– »Ich bitte Majestät, lassen Sie diese junge Dame sprechen,« sagte Acton, »und Sie werden sehen, daß nicht alles verloren ist. Haben Sie ein wenig Geduld.« – »Geduld!« sagt« die Königin, »Geduld! Seit der Einnahme der Bastille, das heißt seit zwei Jahren, höre ich von nichts anderem sprechen.«
Sie sank auf einen Sessel, wendete sich zu Inglesina, welche durch diese Gemütsbewegung der Königin vollständig wieder munter gemacht worden, und sagte: »Erzählen Sie ihm alles, und wenn er wissen wird, was ich weiß, so wollen wir sehen, ob er wieder wagen wird zu sagen: »Geduld!« Sowie Inglesina sprach, machte die Königin Bewegungen mit dem Kopfe und fragte wiederholt: »Nun? nun? nun?« Dann als die Botin geendet hatte, sagte sie: »Ich habe einen Brief von meinem Bruder, dem Kaiser empfangen. Er schreibt mir, daß er am 27. August in Pillnitz eineUnterredung mit dem König Friedrich Wilhelm von Preußen haben wird. Schreiben Sie ihm im Namen des Königs Ferdinand, daß wir im voraus allem beitreten, was er tun wird, und daß er auf fünfundzwanzigtausend Mann und fünfundzwanzig Millionen rechnen kann.« Der General lächelte. »Die fünfundzwanzigtausend Mann wären allerdings möglich,« sagte er, »das Geld aber wird etwas schwieriger aufzutreiben sein. Die Kassen sind leer, das wissen Sie selbst, Madame.« – »Gut, man wird sie aber wieder füllen, sollte man auch zu diesem Zwecke die Krondiamanten veräußern. Übrigens, wenn Sie dies dem Kaiser nicht im Namen des Königs Ferdinand schreiben wollen, so schreibe ich es ihm in dem meinigen, oder vielmehr, ich habe es ihm schon geschrieben. Hier ist der Brief.« – »Ew. Majestät wissen,« sagte der General Acton sich verneigend, »daß ich nie einer andern Meinung gewesen bin als der Ihrigen; ich möchte aber Ew. Majestät bemerklich machen, daß Mademoiselle« – hier deutete er auf Inglesina – »fast krank aussieht, so ermüdet ist sie.« – »Ich bin es weniger von meiner Reise als von meinem Kummer,« antwortete Inglesina, »wenn ich das Unglück bedenke, welches den erhabenen Personen droht, die ich vor so kurzer Zeit verlassen.« – »Gleichviel, gleichviel,« sagte die Königin, »begeben Sie sich auf Ihr Zimmer, legen Sie sich zu Bett und
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