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kennen, um eine Idee von dem Tumult zu haben, der während des Tages in der Umgegend des Palastes herrschte. In Neapel gleichen die Äußerungen der Liebe so sehr den Ausbrüchen des Hasses, daß man hätte glauben können, das ganze Volk, welches fürchtete, seinen König zu verlieren, habe sich in der Absicht, ihn zu erwürgen, hier versammelt. Um halb elf Uhr legte der Graf von Thurn mit den Schaluppen an dem Fuß der Treppe an, die unter dem Namen der Treppe des Caraco bekannt ist. Dann stieg er hinauf, um die Tür der oberen Treppe zu öffnen, die in die königlichen Gemächer ging. Als er aber die Tür dieser Zimmer öffnen wollte, zerbrach er den Schlüssel in dem Schloß, so daß man gezwungen war, die Tür aufzusprengen.
Der König stellte sich hierauf an die Spitze der Kolonne, indem er eine Wachskerze in der Hand hielt. Als er aber auf die Hälfte der Treppe gekommen war, hörte er Geräusch von dem sogenannten Riesenhügel her, und da er fürchtete gesehen zu werden, so blies er die Wachskerze aus. Wir befanden uns nun in furchtbarer Finsternis, inmitten welcher wir gezwungen waren, uns weiterzutasten. So erreichte man den Molo Eiglio, aber das Meer ging so hoch, daß man nicht wagte, sich der Gefahr auszusetzen und aus dem Hafen auszulaufen. Wir warteten daher in den Barken,indem wir uns in unsere Mäntel und Shawls hüllten, und da man vergessen hatte, den kleinen Prinzessinnen ihre Abendmahlzeit zu geben, so verlangten diese zu essen, und wollten vor Hunger umkommen. Ein Matrose hatte Sardellen, die sie ohne Brot aßen, worauf sie schlechtes, verfaultes Wasser dazu tranken. Endlich, als das Meer sich beruhigt hatte, steuerten wir auf den »Vanguard« los und stiegen kurz vor Mitternacht an Bord. Ungeachtet der Anordnungen, die Lord Nelson getroffen, fühlte sich der König und die königliche Familie auf dem »Vanguard« sehr eingeschränkt. Zehn Personen hatten die Kajüte des Admirals und die der Offiziere eingenommen, ohne Sir William und mich, den österreichischen Gesandten und seine Gattin mitzurechnen. Diese zehn Personen waren der König, die Königin, der Kronprinz, seine Gemahlin, die kleine Prinzessin, von der sie vor kurzem erst entbunden, der junge Prinz Leopold, Prinz Albert und die Prinzessinnen Marie Christine, Marie Amalie und Marie Antonie. Einen Augenblick hatte der König, da er sich so beschränkt sah, Lust, dem Admiral Caracciolo das Versprechen, welches man ihm gegeben, zu halten und sich auf dessen Schiff zu begeben. Die Königin jedoch gab durchaus nicht zu, daß der König sich von seiner Familie trenne.
Der Tag brach mit frischem, aber unglücklicherweise widrigem Winde an. Man hörte von dem »Vanguard« aus die Aufregung in der Stadt wie das Knurren eines riesigen Bären. Und wirklich hatte das Volk gehört, daß Ferdinand, trotz seines Versprechens, es verlassen, und Plakate, die an allen Straßenecken, auf allen Plätzen, an allen Kreuzwegen angeschlagen waren, meldeten, daß Fürst Franz Pignatelli zum Generalvikar mit unumschränkter Vollmacht ernannt worden; daß Mack General-Kapitän der geschlagenen Armee sei, und daß der Minister Simonetti aus dem Finanzdepartement geschieden sei, um dem Bankier Zurlo Platz zu machen. Alle diese Ernennungen waren auf Befehl des Königs erfolgt, vom vorigen Tage datiert und von seiner eigenen Hand geschrieben. Man erzählte die Antwort, welche die Königin dem Fürsten Pignatelli gegeben, als man ihn gefragt, bis wie weit sich seine Vollmacht erstrecke: »Bis zum Verbrennen Neapels.« – Die Kais waren von Menschen angefüllt, aber das Meer war zu wild, als daß eine Barke sich hätte der Gefahr aussetzen mögen. Man sah Gruppen, die sicherlich Deputationen waren, aber diese Gruppen verschwanden eine nach der andern, nachdem sie einenAugenblick am Ufer des Meeres verweilt, denn kein Schiffer wollte sich dazu verstehen, sie bis an das Admiralsschiff, von dessen Mast die Flagge des Königs wehte, zu bringen. Während der Nacht wurde der Wind schwächer, blieb aber immer noch widrig. Bei Tagesanbruch überschwemmte die Menge die Kais wieder. Sie begrüßte die englische Flotte mit lautem Geschrei, da sie ohne Zweifel hoffte, der König würde seinen Entschluß ändern, und wirklich sahen wir, als das Meer wieder ruhig wurde, die Deputationen, die wir den Tag vorher vergebens auf dem Kai verweilen gesehen, nicht nur wieder erscheinen, sondern auch sich einschiffen und sich dem »Vanguard« nähern. Es war eine dreifache Deputation,
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