Tochter der Hoffnung (German Edition)
richtete, stockte ihr vor Schreck der Atem. Am Boden lagen Frauen und Kinder. Einige hatten Decken, die sie wärmten, andere Frauen jedoch lagen zitternd eng umschlungen mit anderen Gefangenen zusammen. Erst jetzt stieg ihr der Geruch von Abfall, Verwesung und von den Notdurften der Gefangenen in die Nase. Ailish`s Gehirn brauchte einige Zeit, bis sie das Ausmaß dieser Grausamkeit begriff. Alasdair hielt in menschenunwürdigen Verhältnissen Gefangene. Frauen und Kinder. Das Gerücht über Menschenopfer, von dem Niall ihnen berichtet hatte, schien zu stimmen. Bei dem Gedanken, dass Liamh`s Familie noch vor kurzem ebenfalls in so einer Zelle eingesperrt gewesen war, stieg Übelkeit in ihr hoch. Je weiter und tiefer sie vordrang, desto mehr Zellentüren fand sie. Manche Zellen verfügten noch nicht einmal über ein Fenster. An jeder Ecke befanden sich ein oder zwei Wärter, die Karten spielten oder sich mit Geschichten über Kämpfe in Schankräumen unterhielten. Zum Glück schienen die Männer sie nicht zu bemerken. Einige Meter weiter befand sich eine Waffenkammer. Auch hier war der Geruch nach Blut und Tod immens stark. Die ganze Atmosphäre strahlte Trauer, Schmerzen und Grausamkeit aus. Eine Idee, wie sie den Menschen helfen konnte, verfestigte sich in ihren Gedanken. Ailish hatte jedoch keine Ahnung, ob es funktionieren würde. Sie wusste nicht, wie weit ihre Kräfte reichten und ob das, was ihr vorschwebte, überhaupt möglich war. Doch versuchen musste sie es in jedem Fall. Zuallererst sorgte sie dafür, dass die Männer tief einschliefen. Da sie so etwas noch nie gemacht hatte, schien ihr dieser erste Schritt zur Rettung der Gefangenen stundenlang zu dauern. Als erstes entzog sie den Männern Sauerstoff aus dem Körper. Der erste Wächter fing bereits an zu gähnen und sich zu strecken, um der Müdigkeit entgegen zu wirken. Dann versuchte sie den Männern die Suggestion einzugeben, dass ihr Körper und ihr Geist eine Ruhezeit benötigten. Glücklicherweise funktionierte es und die Männer setzten sich auf den Steinboden und kurz darauf waren sie bereits eingeschlafen. Ein Wächter schlief sogar im Stehen ein. Ailish beobachtete die Männer noch kurze Zeit, um sicher zu gehen, dass sie nicht gleich wieder erwachten. In diesem Moment verbat sie sich Gedanken darüber, über was für Fähigkeiten sie verfügte. Doch sie konnte nicht verhindern, dass die Angst sich ganz langsam in ihre Gedanken schlich. Normalerweise wäre das, was sie mit den Männern gemacht hatte, nicht mit ihrem Gewissen zu vereinbaren gewesen. Doch diese Wächter umgab eine Aura von Gewalt und Grausamkeit. Wenn Ailish genauer darüber nachdachte, dann musste sie gar nicht lange überlegen, das Leben der Frauen und Kinder war wichtiger als ihr Gewissen. Und dennoch, ihr war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, andere Menschen zu beeinflussen. Als zweiten Schritt verbog sie die Gitterstäbe der Zellen, sodass eine erwachsene Frau hindurch passte. Für eine größere Öffnung reichte ihre Kraft leider nicht mehr aus. Einige Frauen, die im vorderen Bereich der Zellen schliefen, wurden durch das Geräusch des sich verbiegenden Stahls aufgeweckt. Die älteren Frauen überlegten nicht lange, sondern weckten ihre Mitgefangenen. Kein Laut war zu hören, als die Frauen und Kinder durch die Öffnungen in den Gitterstäben in die Freiheit gingen. Ailish war immer noch nicht sichtbar und folgte den Frauen zu einer Treppe, die nach oben führte. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie eine junge Frau, deren Gesicht grün und blau geschlagen war. An ihren Händen und an ihrer Kleidung konnte Ailish getrocknetes Blut erkennen und ihre linke Hand schien gebrochen zu sein. Sie ging zielstrebig auf einen der Wächter zu. Aus einer Tasche in ihrem Rock zog sie mit der rechten Hand blitzschnell einen kleinen Dolch und schlitzte dem Mann mit einer glatten Bewegung die Kehle durch. Ailish konnte nichts tun, um dem Mann noch zu helfen. Der Hass, den sie in den Augen der jungen Frau sah, als diese auf den Wärter hinunter schaute, erzählte ihr viel über das Motiv. Sie konnte nicht älter als 18 sein. Einige der Frauen zogen sie von dem Leichnam des Mannes weg und in Richtung der Treppe. Ailish schätzte, dass ca 50 oder 60 Frauen und Kinder eingesperrt gewesen waren. Ganz selbstverständlich befanden sich die älteren Frauen an der Spitze der Gruppe und die Kinder und Jugendlichen wurden in die Mitte genommen. Oben angekommen führte eine riesige Holztür auf einen
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