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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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angefleht, all dies aufzugeben und sich eine Arbeit in Quincy oder St. Louis zu suchen. Du warst so verdammt unglücklich hier. Der Farmarbeit hast du doch nie etwas abgewinnen können und den Menschen auch nicht. Mit Ausnahme von Bill, der deine Zeichnungen für gutes Geld unter die Leute brachte. Und jetzt bist du hier und arbeitest so hart wie eine Magd. Was hat dich so sehr verändert?«
    Lea zuckte zusammen. Sie hatte mit ihrer Vermutung also richtig gelegen. Rebekka war nicht glücklich gewesen auf der Farm. Das tat weh.
    Sie blickte an Joris vorbei, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen. »Ich habe viel erlebt in der Zeit, in der ich fort war. Da sieht man manches anders. Das Arbeiten auf der Farm tut mir gut. Es hilft mir zu vergessen.«
    Eine Weile blieb es still zwischen ihnen.
    »Du hast mir immer noch nicht alles erzählt, was geschehen ist, nicht wahr? Ich habe dich früher fast jeden Tag zeichnen sehen. Doch seit du zurückgekommen bist, hast du den Stift nicht mehr in die Hand genommen.«
    Lea spürte, wie ein Zittern sie überfiel. Verzweifelt suchte sie nach einer Erklärung. »Ich kann es nicht mehr. Irgendwann werde ich dir auch erzählen, warum, doch nicht jetzt.«
    »So etwas verlernt man doch nicht.« Joris runzelte die Stirn, doch als Lea nicht auf seine Bemerkung einging, ließ er das Thema fallen. Er fuhr erneut mit einem Finger über die harten Wölbungen ihrer Hand. »Als ich in Amerika ankam, da habe ich die Schwielen und Risse wie Trophäen getragen. Für mich waren sie sichtbare Zeichen für die Eroberung dieses Landes.«
    »Ist es anfangs sehr hart gewesen?«
    »Ja. Obwohl wir den denkbar besten Humus vorfanden. Die Prärie liegt auf einer Wasserscheide. Der Bear Creek führt das Wasser dem Mississippi zu, während es nach Osten durch den Missouri und Crooked Creek in den Illinois River abfließt. Im ersten Jahr haben Arne und ich nur zwei Felder bearbeiten können. Für Ochsenkarren fehlte das Geld und so mussten wir selbst den Brechpflug durch den dichten Bewuchs des Präriebodens ziehen. Wir besaßen zwar Land, haben aber von der Hand in den Mund leben müssen.«
    »Dann habt ihr anfangs keine Schafe gezüchtet?«
    »Wir mussten erst die Voraussetzungen dafür schaffen. Während der Zeit, in der die Felder brachlagen, grenzten wir andere Weidestücke für die Schafzucht ein und säten an den Rändern Dornenhecken aus. Das ist eine bewährte Methode, um die Tiere am Ausbrechen zu hindern. Als der lebende Zaun endlich hoch genug war, konnten wir vom Ertrag aus den gepflügten Feldern die ersten Tiere kaufen. Ich habe die Schafe geschoren und Arne die Wolle gezupft und gewaschen. Als schließlich alles aufgerollt, gebunden und zu Ballen gepackt auf dem Ochsenkarren lag, sind wir uns glücklich in die Arme gefallen. Dieses erste ertragreiche Frühjahr hat uns zusammengeschweißt, war unser ganz persönlicher Sieg. Ich glaubte damals, dass auch Arne all dies lieben gelernt hätte. Er sprach davon, dass es Zeit für ihn sei, Wurzeln zu schlagen, etwas Eigenes aufzubauen. Doch dann … «
    »… doch dann brachte er mich auf die Farm.«
    »Richtig. Ich weiß nicht, warum, aber seine alte Rastlosigkeit lebte wieder auf. Er ist Streitereien immer lieber aus dem Wege gegangen. Der Präriehandel, für den er sich hat anheuern lassen, brachte ihn fort von der Farm und den Konflikten mit uns beiden und bot zudem die Möglichkeit, sich in ein neues, vielversprechendes Abenteuer zu stürzen. Einerseits kann ich ihn verstehen, Lea. Doch andererseits … Wir haben zusammen so hart für all das hier gekämpft … «
    Er breitete hilflos die Arme aus.
    »Du liebst dieses Land, nicht wahr?«
    »Ja. Es ist etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Die Prärie kann hart sein. Sie verlangt alles von den Menschen, aber sie gibt auch viel zurück. Ich liebe nicht nur das hier.« Er gab ihre Hand frei, bückte sich, nahm eine Handvoll Erde auf und ließ sie zwischen den Fingern herunterrieseln. »Sondern auch den weiten Himmel, den die Sonne am Abend in goldene Farbe taucht. Ja selbst den Wind, der so oft wie ein einsamer Wanderer über alles hinwegpeitscht. Manchmal stelle ich mir vor, auf seinen Schwingen wie ein Adler zu schweben, mit ausgebreiteten Flügeln hinauf bis in das unendliche Blau und dann weiter bis zur Sonne. Ich würde sterben für das hier. Nichts ist mit dem Gefühl vergleichbar, auf einem Stück Land zu stehen, das einem gehört. Keiner kann dich vertreiben, es dir wegnehmen und niemand

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