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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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kann dir vorschreiben, was du damit anfangen sollst. Die Erde gehört dir. Du kannst sie anfassen und festhalten. Jeder Stein gehört dir, jede Blume, jeder Baum und alles, was sich auf deinem Land befindet. Und wenn die Welt dich stört, dann kannst du dich auf deinem Land zurückziehen und sie einfach vergessen.«
    Lea spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. Sie roch den süßen Duft des Grases und nahm den seltsamen Zauber wahr, der sich über sie beide legte.
    »Was liebst du besonders?«
    »Die Weite. Die Einsamkeit und die Blumen, die Tiere. Ich kann es kaum erklären. Du musst es selbst spüren. Immer wenn ich anderswo bin, wünsche ich mich hierher zurück. Dann denke ich an die Teppiche voll von rotem Mohn, an endlose blaue Weiten aus Lupinen unter einem purpurfarbenen Himmel. Über allem dieser verschwenderische Duft und der Vogelgesang. Stundenlang kann ich einfach nur auf das Land schauen. Es ist, als ob einem die Schönheit das Herz aus dem Leib risse. Das zu sehen, zu wissen, dass es einem gehört, tut fast weh. Und doch ist es alles, was ich unter Glück verstehe. Lange Zeit habe ich nichts besessen, hatte nur mich selbst. Jetzt gehört mir ein besonderes Fleckchen Erde. Manchmal macht es mir Angst, dass ich so daran hänge. Mehr als an einem Menschen. Aber das wirst du wohl kaum begreifen.« Als ob er schon zu viel gesagt hätte, wandte sich Joris rasch um.
    »Warum glaubst du das?«, fragte Lea ein wenig verletzt. »Ich weiß, was es bedeutet, sein Herz an etwas zu hängen, sich nach etwas zu sehnen.«
    »Sehnsucht«, murmelte Joris bitter. »Bevor ich hierherkam, hat meine Sehnsucht einer Frau gegolten. Sie hieß Kristin. Ich hätte alles dafür gegeben, mit ihr mein Leben verbringen zu dürfen. Doch sie hat mich verlassen, verraten und ins Gefängnis gebracht. Danach war ich die Bitterkeit selbst. Arne ist es gewesen, der mich wachgerüttelt und nach Amerika gebracht hat. Das Land hat mein Herz geheilt. Niemals mehr könnte ich all dies aufgeben!«
    »Du bist nicht so hart, wie du andere glauben machst.«
    Joris zuckte zusammen. Sein Gesicht nahm einen versteinerten Ausdruck an. »Verdammt, Lea. Du bringst mich dazu, Dinge auszusprechen, die nur mich allein etwas angehen.«
    Er starrte sie an und Lea sah einen Anflug von Verzweiflung auf seinem Gesicht. Dann stapfte Joris davon, ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen.
    Lea blickte ihm verwundert nach. Er war und blieb undurchsichtig. Joris liebte das Land, in dem er lebte, aber zu den Menschen hielt er Abstand. Andere fühlten sich in einer Gemeinschaft stark, taten sich bei gleichen Interessen zusammen oder arbeiteten miteinander. Bei Joris war das anders. Er schien zu niemandem zu gehören. Nicht, dass er sich ausschloss oder sich zu gut für etwas wäre. Hardy, Toni und auch andere sprachen stets nur lobend von ihm. Aber nichts, was er tat, brachte Joris den Menschen näher.
    Aber heute hat er etwas mit mir geteilt, dachte Lea, während sie versuchte, seinem schnellen Schritt zu folgen. Und es war noch mehr als das gewesen. Joris hatte ihr einen Blick in seine Seele gewährt.
    Lea legte eine Hand auf ihr klopfendes Herz. Sie war atemlos. Was um alles in der Welt verband sie mit diesem verschlossenen Mann? Ein Gefühl brannte in Lea hoch, das von Freundschaft weit entfernt war. Seit sie Joris zum ersten Mal begegnet war, hatte etwas an ihm sie angezogen. Es war nicht nur sein gutes Aussehen, sondern auch seine Ausstrahlung, die vielleicht aus der Geborgenheit stammte, in der er aufgewachsen war. Etwas, das sie nie gekannt hatte.
    Heute war sie ihm nah gewesen. Es hatte sich gut angefühlt und nichts mit den Gefühlen zu tun, die sie für Immo hegte. Die Liebe zu ihm war ruhig und beständig, so als ob sie vor Urzeiten in ihr eingepflanzt worden sei. Immo gehörte ihr Herz. Sie war von einer Zärtlichkeit für ihn erfüllt, die über Freundschaft und Vertrautheit weit hinausging. Die Erinnerung an ihn war von gemeinsamen Mosaiksteinen bestimmt, von Bildern, Gerüchen, Klängen.
    Und doch sehnte sie sich auch nach Joris. Die widersprüchlichen Gefühle überfluteten Lea wie ein Strom. Als sie die Augen schloss, war es nicht Immo, den sie vor sich sah, sondern Joris, der seine Arme um sie schlang und mit den Fingern ihre Haut liebkoste. Leas Gesicht begann zu glühen. Sie spürte ein Verlangen nach Joris, das rasch zunahm und sie erzittern ließ. War sie etwa dabei, sich in ihn zu verlieben? Doch was war dann mit ihren Gefühlen für

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