Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
noch verwendet wurde, um Schmerzen zu betäuben. Oder um zu vergessen.
»Sobald du Strabos Tochter getötet hast, werden wir zuschlagen. Zugleich werden die Jäger eliminiert, sie sind also keine Gefahr mehr für dich. Und selbst wenn dich einer zurückbrächte?«, Malina lächelte kalt. »Wer wollte dich hier noch anklagen? Strabo wird zu dieser Zeit schon längst seinem Buhlenbastard gefolgt sein.«
»Ihr wollt die Jäger eliminieren? Hm.« Markus rieb sich das Kinn. Es kratzte. Schließlich nickte er zögernd. »Gut. Ich tue es. Aber wie werdet ihr wissen, ob der Plan geglückt ist?«
»Wir haben Späher«, sagte die Frau, »aber«, fuhr sie mit harter Stimme fort, als Markus die Augenbrauen hob, »mehr geht dich nicht an. Du bekommst deine Freiheit und eine Chance dafür, dass du den Bastard tötest und ihn damit schwächst. Das ist deine Aufgabe. Mehr braucht dich nicht zu kümmern, bis du sie erfüllt hast.«
Er holte tief Luft. Jetzt gab es kein Zurück mehr. »Gut. Ich bin einverstanden.«
»Dann komm mit. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Jäger sind ausgeschwärmt, Strabo ist weit fort im Land. Die Gelegenheit ist günstig.«
Markus sah an sich herunter. »So werde ich dort nicht weit kommen, ohne aufzufallen.«Seine Kleidung bestand ebenso aus Lumpen wie die der anderen.
»Wir haben bessere Kleidung.«
Er nickte. »Und wie werde ich Strabos Tochter finden?«
»Das ist die Schwierigkeit«, sagte der Glatzkopf. »Wir wissen nur ihren Namen: Gabriella Bramante.«
Markus verschränkte die Arme vor dem Brustkorb und sah die anderen mitleidig an, einen nach dem anderen. »Und das ist euer Plan? Euer gesamter Plan?«
Betretenes Schweigen folgte.
»Nicht ganz«, warf da die Frau lächelnd ein. »Ehe er vorhin starb, hat unser Freund mir noch einiges verraten können.«
Fünftes Kapitel
Gabriella behielt den Schatten, der sich bedrohlich aus der Zimmerecke schob, scharf im Auge. War es einer von jenen, die auch ihrer Mutter Angst eingejagt hatten?
Sie umfasste die Gabel fester. Zugegeben, eine Kuchengabel war eine reichlich inadäquate Waffe, noch dazu einem körperlosen Phantom gegenüber, aber sie richtete sie dennoch drohend auf den sich nähernden Schatten, während sie sich erhob und sich Schritt für Schritt zur Tür hinüberschob.
Im selben Moment erfasste Dunkelheit den Raum und ließ die Konturen des Schranks verschwimmen. Das Tageslicht erlosch. Was immer sich mit ihr in einem Raum befand – es hatte es auf Gabriella abgesehen. Sie wusste, dass sie es nicht mehr bis zur Tür schaffen würde. Aber vermutlich war es sowieso sinnlos, vor einem Schemen zu fliehen, der offenbar durch Wände gehen konnte.
»Sie ist nicht allein gestorben.«
Gabriella zuckte erschrocken zusammen. Die tiefe Männerstimme ließ die Luft erzittern und vibrierte in Gabriellas Nerven weiter. Sie erfüllte den Raum, hallte wider, als befänden sie sich mit einem Mal nicht mehr in einer kleinen heimeligen Wohnung mit niedriger Decke, sondern in einem hohen Gewölbe. Die Konturen des Sprechers verschärften sich, als würde sich ein Schleier heben. Sie konnte seine Augen wahrnehmen, heller als das Dunkel um ihn herum. Dann, schwach, sein Gesicht. Es waren aristokratische Züge, markant, wohlgeformt; ein fremdes und auf verwirrende Art doch vertrautes Gesicht.
Sie stand in sehr aufrechter Haltung da, die lächerliche Kuchengabel in der Faust, und sah ihn kämpferisch an. Er blieb zwei Armlängen vor ihr entfernt stehen. Seine Stimme war jetzt sehr sanft: »Camilla war die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Als ich sie sah, hat es mich getroffen wie der berühmte Blitz in eurer Literatur.« Bei diesen Worten schwang ein Lächeln in seiner Stimme mit. »Du siehst ihr sehr ähnlich.«
Gabriellas Augen wurden schmal. Ihre Mutter hatte sie an Schönheit weit übertroffen. Sie war zartgliedriger gewesen, eleganter, anmutiger, ihr Gesicht hatte schärfere Konturen gehabt. Gabriella war sich ihr gegenüber immer nichtssagend vorgekommen, ungeschickt und tölpelhaft.
Sie antwortete nicht, sondern schob sich die herabgerutschte Brille wieder auf die Nase, wartete ab, alle ihre Sinne auf den Mann vor ihr ausgerichtet. Als er die Hand hob, wich sie mit schmalen Augen zurück, bis sie an die Wand hinter ihr anstieß. Der Bilderrahmen – einer ihrer gelungeneren Comics – pendelte mit einem schabenden Geräusch hin und her.
Er ließ die Hand fallen. »Und sie hatte recht. Du siehst auch mir ähnlich.«
Gabriella
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