Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
Jagd in die Zwischenwelt schickte.
»Strabo können wir nichts anhaben, wohl aber seinem Bastard.«
»Strabo hat dort drüben eine Tochter. Sieh an.« Um seinen Gesichtsausdruck zu verbergen, drehte er ihnen den Rücken zu und schlenderte einige Schritte weit weg, bevor er sich wieder umwandte. »Wollt ihr versuchen, ihn mit ihr zu erpressen?«
Die Frau lachte höhnisch auf, und die anderen verzogen das Gesicht. »Wie ginge das? Versuchten wir, sie gefangen zu nehmen, hätten uns die Jäger schneller, als wir denken könnten. Nein, sie muss sterben.«
»Er hat ihr einen Teil seiner Seele gegeben, als er sie gezeugt hat«, fiel ein anderer ein. »Er liebt sie, beobachtet sie und ihre Mutter seit Jahren. Die Frau ist tot, aber das Mädchen lebt noch.«
»Ihr Tod wird ihn schwächen. Diesen Moment werden wir zu nutzen wissen«, ergänzte der Totenschädel.
Markus betrachtete einen nach dem anderen aus der Gruppe. Sein Blick verweilte für längere Zeit auf der Frau, und er begriff. Darum ging es also. »Ihr wollt Strabo vernichten?«
»Wir wollen unsere Freiheit.« Die Verbitterung hatte Furchen in Malinas einstmals schönes Gesicht gegraben. Sie deutete mit einer verächtlichen Geste um sich. »Sollen wir immer so leben? Sollen wir für immer seine Gefangenen bleiben, während nur durch die Barriere getrennt eine ganze Welt voller Fülle auf uns wartet?« Sie musterte Markus abschätzend. »Soll er immer wieder unsere besten Krieger zu seinen Marionetten machen, nur um diejenigen zur Strecke zu bringen, die frei sein wollen?«
»Wir alle wissen, wer und was die Jäger früher waren«, sagte einer aus der Gruppe, der bisher geschwiegen hatte. Ein kleiner, unscheinbarer Mann, der jedoch ungewöhnlich gut gekleidet war. Sein Haar war kurz geschnitten und sein Gesicht überraschend sauber. Rado. »Wir wissen, was er euch nimmt, wenn er eure Persönlichkeit löscht.« Er sah Markus bei diesen Worten wachsam an. »Und du warst sein bester Krieger und späterer Jäger.«
So lange, bis seine Gefühle hervorgebrochen waren. So wie bei diesem dunkelhaarigen Jäger, der dadurch verletzlich geworden war und dies vor Strabo verbergen musste. Er dachte an dessen kaum merkliches Zusammenzucken, die bebenden Nasenflügel, die geweiteten Pupillen, hütete sich jedoch, diesem Gesindel sein Wissen darüber preiszugeben.
»Rache an Strabo«, sagte er leise, wie zu sich selbst.
»Und Freiheit, wenn es dir gelingt, zu entkommen.«
»Entkommen, nachdem man Strabos Tochter getötet hat?«, fragte er ironisch. »Unwahrscheinlich. Außerdem könnte ich die Jäger erst dann wahrnehmen, wenn sie mich bereits fassen. Abgesehen davon«, er wandte sich zum Gehen, »ist es fraglich, wie lange ich durchhalte.«
Selbst wenn er den – oftmals tödlichen – Übergang durch die Barriere, die ihre Welten voneinander trennte, überlebte, hörte die Transition damit nicht auf. Sie führte zu Veränderungen im Gehirngewebe. Die Flüchtigen wurden wahnsinnig, ein Blutrausch setzte ein, der jeden anderen Gedanken in ihnen vernichtete. Das war der Moment, in dem die Jäger auf sie aufmerksam wurden und sich auf ihre Spur setzten. Davor hatten sie seltsamerweise keine Möglichkeit, den Betreffenden zu lokalisieren. Das war ein Schwachpunkt in Strabos Strategie, ihnen ihren Körper und ihre Erinnerung zu nehmen. Sie waren leere Hüllen, die lediglich Hass erfühlen konnten.
»Niemand von uns wird vergessen, wem wir die Freiheit zu verdanken haben, wenn alles gut geht«, setzte Rado, der schmächtige Mann, in einem schmeichelnden Tonfall nach. »Und niemand wird, wenn dieses Land neu geordnet wird, Männer vergessen, die es führen können.«
Markus musterte ihn mitleidig. »So wie dieser Unglückliche, der zuvor zurückgebracht wurde?«
»Aber du«, erwiderte Malina mit ihrer dunklen Stimme, die ihn an früher erinnerte, an Zeiten, in denen Amisaya noch ein mächtiges Land voller Leben gewesen war, »du wirst nicht durch die Barriere kriechen müssen. Dir wird das Tor geöffnet.«
Markus schwieg. Endlich sagte er: »Ihr habt also einen Wächter bestochen. Womit?«
»Mit dem, was auch uns antreibt: Rache«, erwiderte ein Mann, der sich ununterbrochen kratzte. Er stank nach Fäulnis und war an den Armen schon ganz wund, die offenen Stellen an Handgelenken und Ellbogen schienen sich bis auf die Knochen gefressen zu haben. Sein Blick war etwas glasig, vermutlich nagte er regelmäßig an Raudalwurzeln, ein altes Heilmittel, das jetzt allerdings nur
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