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Tochter der Träume / Roman

Tochter der Träume / Roman

Titel: Tochter der Träume / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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Spiel war nicht schwer, und so wurde ich übermütig, bis er Gegenstände nach mir warf. Nichts Verrücktes, nur ein paar Schneebälle. Als ich kleiner war, hatte er dafür Schaumbälle genommen, um mich abzuhärten, vermutete ich. Ich war gar nicht so schlecht, es sei denn, ich wollte unbedingt kreativ sein. Anstatt die blöden Dinger einfach zu verwandeln, überlegte ich viel zu lange, was ich daraus machen könnte, als wäre es nicht egal gewesen, ob ich fünfmal hintereinander »Vogel« dachte, statt an etwas anderes. Auf diese Weise handelte ich mir einige blaue Flecken ein, die meisten davon an Armen und Schultern. Es waren nicht viele, nur drei oder vier, aber sie waren groß. Dabei war ich Morpheus nicht einmal böse, denn ich hätte seine kleine Schneeballattacke leicht abwehren können, ich kam mir nur ziemlich blöd vor, weil er mich so leicht drangekriegt und mir damit bewiesen hatte, dass ich völlig aus der Übung war. Und was mich wirklich ärgerte, war, dass ich nun nicht mehr das kleine Schwarze zu Noahs Vernissage tragen konnte, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich stattdessen anziehen sollte.
    Ich war noch nie in einer Galerie gewesen. In Museen, das ja, aber noch nie auf einer richtigen Kunstausstellung, wo man fachsimpelte und Champagner nippte – wie man es immer im Fernsehen sah.
    Es war ein kühler Abend, und so entschied ich mich schließlich für eine schwarze Hose und ein schokoladenbraunes Kaschmiroberteil mit Wasserfallkragen. Dazu wählte ich passende lange Ohrringe und eine mehrlagige Goldkette mit Peridot-, Granat- und Aquamarinsteinen, die meine Tante handgefertigt hatte. Die Kette legte ich so um, dass sich ein Strang eng an meinen Hals schmiegte, während der Rest unter den Kragen meines Pullovers fiel. Braune Lederstiefel, Handtasche und Jacke rundeten mein Gesamtbild perfekt ab. Dann fuhr ich mir noch einmal mit den Händen durch die Haare, trug eine weitere Schicht Black Honey Gloss von Clinique auf und war schließlich ausgehfertig.
    »Nicht schlecht«, murmelte ich, als ich einen letzten Blick in den Spiegel warf.
    Es ließ sich nicht verbergen, dass ich ziemlich groß geraten war, aber dafür war ich wenigstens groß geraten und schick. Mein Outfit war nicht zu lässig für einen festlichen Rahmen, aber auch nicht zu übertrieben, sollte es eher formlos zugehen. Gut gemacht.
    Die Galerie lag in Chelsea. Ich nahm ein Taxi. So hatte ich auf der Fahrt noch Zeit, um mir ein paar Dinge durch den Kopf gehen zu lassen, die ich bis jetzt verdrängt hatte.
    Was sollte ich Noah sagen? Wegen seiner Träume, meinte ich. Oder wegen dieses Etwas namens Karatos. Er hatte nur allzu schnell begriffen, dass ich wahrhaftig in seinen Traum gekommen war, doch wie viel der Wahrheit konnte ich ihm zumuten, ohne dass er anfing, an meinem Menschsein zu zweifeln? Und wie viel durfte ich ihm über die Traumwesen erzählen? Dass ich eigentlich nicht existieren dürfte, würde ich ihm
keinesfalls
erzählen. Ich – als die Einzige meiner Art –, ein Wesen, das sich zwischen zwei Welten bewegte, in beiden leben konnte, aber zu keiner richtig dazugehörte.
    Nein, das würde ich Noah ganz bestimmt nicht offenbaren, es sei denn, es gäbe keinen anderen Ausweg.
    Aber wenigstens würde ich ihm sagen können, dass er fortan keine Angst mehr vor dem Einschlafen haben müsste. Ich durfte ihm einfach nicht zu viel verraten.
    Morpheus würde sein Versprechen einlösen, und wenn er Karatos bis jetzt noch nicht vernichtet hatte, dann würde das sehr bald geschehen. Wesen wie Karatos, die nichts als Angst und Schrecken verbreiteten, mochten zwar zu meinem Onkel Icelus gehören, doch der Herrscher über die Traumwelt war immer noch Morpheus. Er würde sich um den Traumdämon kümmern, und das nicht nur, weil es das einzig Richtige war, sondern weil ich im Gegenzug mehr Zeit im Schloss mit ihm und meiner Mutter verbringen würde.
    Diese Abmachung hatte für mich zwar einen bitteren Beigeschmack, aber ich hatte ihm mein Wort gegeben. Und möglicherweise wollte ein kleiner Teil von mir – ein mikroskopisch kleiner Teil – zu jener Welt dazugehören. Die kurze Zeit, die ich letzte Nacht dort verbracht hatte, hatte mich mit einem inneren Frieden erfüllt, wie ich ihn schon lange nicht mehr empfunden habe.
    Als ich vor der Galerie an der 25. Straße West aus dem Taxi stieg, hatte ich mir etwas Plausibles zurechtgelegt, das ich Noah sagen wollte. Ich prüfte noch einmal meine Frisur

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