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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Raum im Haus war unbeschädigt geblieben. In manchen Zimmern, wo es nichts Wertvolles gab, hatten die Männer uriniert und ihre Notdurft verrichtet. Nur ein Feuer, dachte ich, konnte das Haus jetzt noch reinigen.
    »Die Polizei scheint bei ihrer Suche etwas ungestüm vorgegangen zu sein«, bemerkte Gaynor leichthin. Das Licht der Öllampe zeichnete scharfe, dämonische Falten in sein Gesicht, die Augen blitzten in boshafter Freude.
    Ich besaß viel zu viel Selbstbeherrschung und war körperlich zu schwach, um mich auf ihn zu stürzen, aber der Impuls war da. Und wie die Wut zurückkehrte, so kehrten auf eine seltsame Art und Weise auch die Lebensgeister zurück.
    »Hast du diese widerliche Plünderung beaufsichtigt?«, fragte ich ihn.
    »Ich fürchte, ich war während der meisten Zeit in Berlin. Als ich hier eintraf, hatten Klosterheim und seine Leute das Haus bereits so zugerichtet, wie du es jetzt siehst. Natürlich habe ich ihm schwere Vorwürfe gemacht.«
    Er erwartete nicht einmal, dass ich ihm glaubte. Sein spöttischer Tonfall war deutlich genug.
    »Zweifellos hast du ein Schwert gesucht.«
    »Ganz recht, mein Vetter. Dein berühmtes Schwert.«
    »Anscheinend ist es nur für die Nazis berühmt«, gab ich zurück, »aber nicht bei zivilisierten Menschen. Wahrscheinlich habt ihr nichts gefunden.«
    »Du hast es gut versteckt.«
    »Oder vielleicht existiert es überhaupt nicht.«
    »Wir haben Befehl, wenn nötig das Gebäude einzureißen, Stein um Stein und Balken um Balken, bis nichts außer Trümmern mehr bleibt. Du kannst es dir ersparen, lieber Vetter. Du kannst dich selbst retten. Du könntest den Rest deines Lebens wohl behütet verbringen, als geehrter Bürger des Dritten Reichs. Sehnst du dich nicht nach solcher Sicherheit, mein Vetter?«
    »Keineswegs, mein Vetter. Es geht mir heute besser als in den Schützengräben. Ich genieße bessere Gesellschaft. Wonach ich mich sehne, das ist etwas viel Allgemeineres. Und vielleicht auch unerreichbar. Ich sehne mich nach einer gerechten Welt, in der gebildete Männer wie du ihre Verantwortung dem Volk gegenüber begreifen, wo öffentliche Angelegenheiten in sachkundiger öffentlicher Debatte entschieden werden, nicht mit Heuchelei und schmieriger Rhetorik.«
    »Was denn, hat Sachsenburg dir etwa nicht gezeigt, wie närrisch dein kindischer Idealismus ist? Vielleicht ist es an der Zeit, dass du nach Dachau kommst oder in ein anderes Lager, in dem du es erheblich unbequemer haben wirst als in diesen verdammten Schützengräben. Ulric, glaubst du nicht, dass auch mir diese Schützengräben etwas bedeutet haben?« Auf einmal war der Spott verschwunden. »Als ich auf beiden Seiten Männer für nichts und wieder nichts sterben sah, angelogen und bedroht für nichts und wieder nichts. Alles für nichts. Nichts, nichts, nichts. Und nach dem Anblick dieses Nichts, überrascht es dich da noch, dass jemand wie ich zynisch wird und erkennt, dass wir auch in Zukunft nichts haben werden?«
    »Manche kommen zu der gleichen Erkenntnis, beschließen aber doch, dass es bei uns liegt, auf Erden anständig zu leben. Durch Toleranz und guten Willen, mein Vetter.«
    Er lachte laut, winkte mit der behandschuhten Hand zu den Trümmern meines Studierzimmers hin.
    »Nun ja, Vetter. Freust du dich nicht über das, was dein guter Wille dir eingebracht hat?«
    »Er hat mir meine Würde und meine Selbstachtung geschenkt.« So frömmelnd es auch klang, ich wusste, dass ich womöglich nie wieder eine Gelegenheit hatte, es auszusprechen.
    »Oh, mein lieber Ulric. Du hast doch gesehen, wie wir alle enden müssen, oder? Sich in dreckigen Gräben krümmen und versuchen, die Eingeweide in den aufgeplatzten Leib zurückzuschieben? Kreischen wie aufgeschreckte Ratten? Über die Leichen der Kameraden klettern, um eine schmutzige Brotrinde zu ergattern? Und noch Schlimmeres. Wir haben Schlimmeres gesehen, nicht wahr?«
    »Und vielleicht auch Besseres. Einige haben Engel gesehen. Wunder. Die Engel von Möns. Die Drachen von Wessex.«
    »Sinnestäuschungen. Verhängnisvolle Täuschungen. Wir können der Wahrheit nicht entfliehen. Wir müssen aus unserer schrecklichen Welt das Beste machen. In Wahrheit, mein Vetter, kann man ohne weiteres behaupten, dass Deutschland heute von Satan regiert wird. Satan herrscht überall. Ist es dir noch nicht aufgefallen? In Amerika, wo man aus einer bloßen Laune heraus schwarze Männer aufhängt und wo der Ku Klux Klan Gouverneure ins Amt heben kann? In einem England, das

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