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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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riesigen Kaninchenbau gestürzt, aber Sie sind trotzdem nicht im Wunderland. Genau wie an der Oberfläche stehen wir auch an diesem Ort am oberen Ende der Nahrungskette. Allerdings gibt es hier kein heißes Blut. Keine Konflikte, abgesehen von intellektuellen und formell ausgetragenen Disputen. Keine wirklichen Waffen. Nichts, was mit Ihrem Schwert zu vergleichen wäre. Hier hat alles die stille Würde einer Grabstätte.«
    Ich sah ihn scharf an und fragte mich, ob er ironisch gesprochen hatte, doch er lächelte milde und schien guter Dinge.
    »Nun gut«, räumte ich ein, »so bizarr die Medizin auch zu sein scheint, sie funktioniert offenbar.«
    Fromental schenkte mir ein farbloses Getränk ein. »Ich habe gelernt, mein Freund, dass jeder die medizinische Praxis mit etwas anderen Augen sieht. Die Franzosen sind über die englische oder amerikanische ärztliche Kunst so entsetzt wie die Deutschen über die Italiener oder die Italiener über die Schweden. Ganz zu schweigen von den Chinesen. Oder Voodoo. Ich würde sagen, dass die Wirksamkeit einer Medizin mit der Analyse und Behandlung ebenso viel zu tun hat wie mit den unterschiedlichen Vorstellungen, die wir von unserem Körper haben. Übrigens, wenn mich eine Kobra in die Hand beißt, dann bin’ich binnen weniger Minuten tot. Wenn die Schlange meine Katze in den Nacken beißt, fühlt diese sich vielleicht etwas schläfrig, mehr passiert ihr nicht. Aber Zyanid bringt uns beide um. Was also ist Gift? Was ist Medizin?«
    Ich ließ die Frage unbeantwortet und stellte meinerseits die nächste.
    »Wo ist mein Schwert? Hat Oona es mitgenommen?«
    »Die Gelehrten haben es hier gelassen. Ich bin sicher, dass man es Ihnen zurückgeben wird, da es Ihnen jetzt wieder besser geht. Man hat es als wundervolles Kunstwerk gewürdigt und sich sehr dafür interessiert.«
    Ich fragte ihn, ob die Universität jene Gruppe schlanker Säulen sei, die ich aus der Ferne gesehen hatte. Er erklärte mir, die Off-Moo bauten zwar keine Städte im gewöhnlichen Sinne, die beiden Gruppen von Säulen wären aber mit Wohnquartieren, Büros und allem anderen eingerichtet, was eine lebendige Siedlung braucht, auch wenn es hier kaum Handelsbeziehungen gebe.
    »Wer sind denn nun die Bewohner dieses Utopia? Alte Griechen, die sich verlaufen haben? Nachkommen irgendeines Orpheus? Der verlorene Stamm Israels?«
    »Nichts dergleichen, auch wenn sie eine oder zwei Geschichten zur Sagenwelt der Erde beitragen könnten. Sie kommen überhaupt nicht von der Oberfläche, sie sind in dieser Höhlenwelt heimisch. Sie haben kaum ein praktisches Interesse an den Dingen, die außerhalb ihrer Welt liegen, doch sie sind einerseits sehr neugierig, zugleich aber auch äußerst vorsichtig. So studieren sie zwar unsere Welt, schrecken aber instinktiv davor zurück, mit uns direkt in Kontakt zu treten. Wenn Sie eine Weile hier gelebt haben, werden Sie verstehen, was hier geschieht. Wissen und Phantasie sind ihnen genug. Diese dunkle Welt lässt die Menschen träumen. Da Tod und körperliche Beschwerden selten sind und in dieser Umgebung keine großen Gefahren drohen, können wir das Träumen als Kunst kultivieren. Die Off-Moo verspüren kaum einmal den Wunsch, ihre Welt zu verlassen und nur selten wollen Besucher zur Oberwelt zurückkehren. Diese Umgebung macht uns alle zu Intellektuellen und Träumern.«
    »Sie sprechen über diese Leute, als wären sie Mönche. Als glaubten Sie, diese Träume könnten irgendeinen Sinn haben - und als wären ihre Siedlungen große Klöster.«
    »In gewisser Weise trifft dies zu.«
    »Keine Kinder?«
    »Es kommt darauf an, was Sie darunter verstehen. Die Off-Moo sind parthenogenetische Wesen. Sie gehen zwar lang andauernde Beziehungen ein, müssen aber nicht heiraten, um sich fortzupflanzen. Ihr Tod ist zugleich ihre Geburt. Eine Spezies, die erheblich effizienter ist als wir, mein Freund.« Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Sie sollten sich auf viele Überraschungen gefasst machen. Es sei denn, sie springen in den Fluss oder stürzen in die Länder, die von den Einheimischen als ›Uria-Ne‹ bezeichnet werden. Wir würden sie die Länder jenseits des Lichts nennen, vielleicht auch die dunkle Welt. Diese Leute hier fürchten jene Dunkelheit nicht so sehr wie wir, aber nur der Wunsch, einen schmerzvollen Tod zu erleiden, könnte sie dorthin treiben.«
    »Beschreiben sie damit nicht unsere eigene Welt?«
    »Das ist möglich, mein Freund. Diese anscheinend rein schwarzweiße Umgebung

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