Tochter Der Traumdiebe
diesem Ausbruch überrascht.
»Eine etwas altmodische Sicht der Dinge«, sagte ich. »Das klingt, als hätten Sie zu viel romantische Poesie gelesen, Herr Hauptmann.«
Er richtete die glühenden Augen auf mich und antwortete mit tonloser Stimme. »Ich bin ein altmodischer Mann, grausam und rachsüchtig.« Wie giftiger Staub fielen die Worte.
»Ihr müsst jetzt gehen«, sagte der Gelehrte plötzlich.
»Wenn ihr im Licht gefunden werdet, dann werden unsere Wächter euch töten.«
»Gehen? Wohin sollen wir gehen? Welche Wächter?«
»Geht in die Dunkelheit. Geht aus dem Licht heraus. Wir haben viele Wächter.« Der Gelehrte Fi winkte und es schien, als hätten sich die spitzen Felsen in der Umgebung ein wenig bewegt. In jedem sah ich das Gesicht eines Off-Moo. »Die Zeit beherrscht uns nicht wie euch, Prinz Gaynor.«
Gaynor und Klosterheim hatten uns unterschätzt. Ich glaube nicht, dass wir sie unterschätzt hatten. Gaynor von Minct hatte sich in eine gut aussehende, vorsichtige Schlange verwandelt. »Wenn wir zurückkehren, dann kommen wir mit einer Armee.«
»Mehr als eine Armee ging hier schon unter«, erwiderte der Gelehrte gelassen. »Außerdem werden Sie kaum zu dem Ort zurückkehren, von dem Sie aufgebrochen sind, denn Sie werden keinen Zugang zu Ihrer Welt mehr finden. Nein, Ihre Reise führt Sie in die Dunkelheit jenseits des Flusses und dort werden Sie lernen zu überleben oder Sie werden untergehen, wie das Schicksal es will. Es gibt dort draußen viele andere von Ihrer Art. Überreste der erwähnten Armeen. Ganze Stämme und Nationen gibt es. Männer, die so entschlossen sind wie Sie, dürften dort leicht überleben können und sogar Mittel und Wege finden, um gut zu leben.«
Gaynor war ungläubig und voller Verachtung. »Ganze Nationen? Wovon leben sie?«
Der Gelehrte Fi drehte sich wieder zur Siedlung um, seine Geduld war erschöpft. »Soweit ich weiß, sind sie in erster Linie Kannibalen.«
Er blieb stehen, damit wir zu ihm aufschließen konnten, und sah sich noch einmal um. Gaynor und die Nazis hatten sich nicht bewegt.
»Geht!«
Er winkte.
Gaynor trotzte ihm.
Wieder bewegte der Gelehrte Fi die Lippen, brachte dieses Mal jedoch ein hohles Flüstern hervor. Etwa ein Dutzend Kristallspeere krachten einen oder zwei Fuß vor den Nazis herunter. Wir blieben stehen und sahen zu, wie Gaynor den Befehl zum Rückzug gab. Langsam verschwand der Trupp im Dunklen.
»Wir werden sie wohl nicht wiedersehen«, meinte der Off-Moo. »Sie werden ihre Zeit vor allem damit verbringen, sich zu verteidigen, statt uns anzugreifen.«
Fromentals und mein Blick trafen sich. Wie ich teilte er die Zuversicht des Gelehrten nicht.
»Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir nach Mu Ooria reisen«, erklärte er. »Wir sollten diesen Vorfall melden.«
»Ich stimme Ihnen darin zu«, erklärte der Gelehrte. »Und angesichts der Umstände schlage ich vor, dass Sie den Voluk nehmen, statt zu Fuß zu gehen. Wir haben keine klare Vorstellung, wie nahe die Zeitflüsse in dieser Jahreszeit zusammenlaufen, deshalb ist es gut, wenn man vorsichtig ist.« Es war keine Angst, die er zum Ausdruck brachte, eher begründete Vorsicht.
Fromentals großer Kopf nickte. »Das wird sicher interessant«, sagte er.
»Was ist ein Voluk?«, fragte ich ihn, nachdem wir uns vom Gelehrten Fi verabschiedet hatten.
»Ich habe noch nie einen gesehen«, antwortete er.
Er begleitete mich zu meinem Quartier, wo Rabenbrand schon auf mich wartete. Meine Gastgeber wollten mir zu verstehen geben, ich solle auf das Schlimmste gefasst sein.
Unruhig schlief ich einige Stunden und träumte wirr. Ich sah eine weiße Häsin durch die unterirdische Landschaft rennen, sie eilte zwischen spitzen Zinnen und hängenden Säulen hindurch, sie rannte zu den Türmen Mu Oorias und wurde von einem pechschwarzen Panther mit roter Zunge verfolgt. Zwei Reiter sah ich über einen gefrorenen See reiten. Einer trug eine Rüstung aus versilbertem Kupfer, das im Licht des hellblauen Himmels funkelte. Der Zweite, der ihn herausforderte, trug einen Panzer aus schwarzem Eisen, mit phantastischem Zierrat versehen. Auf dem Kopf saß ein Helm, nach einem Drachen geformt, der sich gerade in die Lüfte schwingen wollte. Das Gesicht des schwarzen Reiters war das meines Doppelgängers. Den anderen Reiter konnte ich nicht erkennen, glaubte jedoch, es müsse Gaynor sein. Vielleicht kam ich darauf, weil ich ihm erst vor kurzem begegnet war. Während ich in diesen Träumen versank und mich
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