Tochter des Glücks - Roman
sie schwanger und nimmt ab dabei. Ihr und ihrem Mann stehen als Dorfkader die gleichen Privilegien zu wie dem Brigadeführer. Doch sie haben sich entschieden, gemeinsam mit uns anderen in der Kantine zu essen.
Der Brigadeführer bedeutet ihnen, sich zu setzen. Ich als Bittstellerin soll vor ihnen stehen.
»Nun gut«, sagt Brigadeführer Lai barsch. »Was willst du?«
»Wir sollten einen Sputnik starten, ein Wandbild, das unseren Stolz auf unsere neue Straße zeigt«, beginne ich. Sie sehen mich nur an, warten auf mehr. »Der Vorsitzende Mao sagt, mit Wandbildern kann man die Menschen erziehen. Es sind sichtbare Erinnerungen daran, was die Massen tun sollten und was nicht.«
»Wir haben kein Geld für das Material«, sagt Brigadeführer Lai.
Eine seltsame Antwort. Will er Schmiergeld?
»Das macht nichts, denn wir stellen unsere Pigmente selbst her.« Ich öffne meine Tasche und hole kleine Behälter mit Farbe hervor. »Dieses Gelb habe ich aus den Blüten des Pagodenbaums auf dem Hauptplatz des Gründrachendorfs gemacht. Das Rot hier kommt von dem roten Boden in den Hügeln. Das Schwarz ist Ruß aus den Schmelzöfen. Für Weiß können wir Kalk benutzen. Blau und Lila habe ich aus Blumen hergestellt. Grün ist einfach. Ich habe ein paar von unseren Teeblättern eingeweicht, um die Farbe zu gewinnen.«
Sung-ling lächelt anerkennend. »Du benutzt das, was es hier gibt.«
Allerdings nicht, weil ich irgendeine kommunistische Lektion umgesetzt habe. Ich tue vielmehr genau das, was mich meine sparsame Mutter und mein praktischer Vater in Chinatown gelehrt haben: Erhalten, umfunktionieren und benutzen, was andere als wertlos erachten.
»Gut, gut, aber was soll das Thema sein?«, fragt Brigadeführer Lai. »Die Genossin hat viele Minuspunkte. Woher sollen wir wissen, dass sie nichts Reaktionäres malt?«
»Ich möchte die Ruhmestaten der Volkskommune zeigen. Hier, schaut euch das an.« Ich reiche ihm meine Zeichnungen. »Das da ist unsere hervorragende Ernte und die Straße, die direkt dorthin führt. Und ich wollte ein Porträt von dir malen, Brigadeführer. Unsere Träume vom Sozialismus würden ohne deine Führung nicht wahr werden.«
Der Brigadeführer reckt die Brust vor, aber der Parteisekretär lebt schon sein ganzes Leben im Gründrachendorf. Er kennt sich aus.
»Tao ist der Künstler in deiner Familie«, bemerkt er. »Warum ist er nicht hier?«
Die kurze Antwort lautet: Weil er nicht weiß, was ich mache. Ich habe allein gearbeitet und mich zum Pavillon der Wohltätigkeit geschlichen, während ich eigentlich Wäsche im Fluss waschen oder andere Hausarbeiten erledigen sollte. Die Verkündung meiner Schwangerschaft brachte nicht die erhoffte glückliche Wendung in seiner Haltung mir gegenüber, mit der ich gerechnet hatte. Mein Mann und meine Schwiegereltern interessieren sich jetzt zwar für mich, weil ich, wie wir alle hoffen, mit einem Sohn schwanger bin, aber seit der öffentlichen Kritik an Yong sind sie auch misstrauisch. Sie bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen der Inbesitznahme von mir und dem Baby und völligem Misstrauen und Abstand zu mir. Aber ich habe schon darüber nachgedacht und weiß, wie ich antworte.
»Mein Mann hat mich gebeten herzukommen. Er ist der bessere Maler, aber er kann auch härter arbeiten. Deshalb baut er an der Straße weiter, und ich stehe hier vor euch.«
Die drei nicken anerkennend, aber wie wird Tao auf das reagieren, was ich gerade gesagt habe? Ich wünsche mir, dass er mich als gute Ehefrau anerkennt, die ihn unterstützt. Vielleicht kommt das so, und vielleicht wird er sich das Wandbild gerne als seinen Verdienst anrechnen lassen, besonders wenn er glaubt, dass es anderen zu Ohren kommt, die noch höhergestellt sind als diejenigen, die hier im Raum sitzen. Aber das klingt jetzt bitter.
»Wo soll das Wandbild hin?«, fragt Brigadeführer Lai.
»Es gibt nur einen Ort«, antworte ich. »Die Außenwände dieses Gebäudes. Ihr habt vier Wände, die bald ein Lob auf unsere Kommune singen.«
»Denk an die Wirkung, die es auf die Mitglieder der Kommune ausüben wird«, sagt Sung-ling zaghaft. »Sie kommen jeden Tag daran vorbei, wenn sie zum Essen oder zum Arzt gehen, ihre Kinder zur Schule bringen …«
»Mehr als nur die Leute in unserer Kommune!«, unterbreche ich sie. »Jeder hier im Bezirk wird es sich ansehen! Sie werden auf unserer neuen Straße laufen und sehen, was unsere Kader hier Gutes geleistet haben.«
Ihr Gesichtsausdruck! Früher habe ich sie
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