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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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nur einen Tag in der Woche empfängt, doch Jutta will nicht darauf eingehen. Sie suchen sie auf, vom Weg abgekommen und voller Sorge, und sie will sie nicht abweisen. Als der Pilgerstrom nicht nachlässt und es zum dritten Mal April wird, seit Jutta und Hildegard nach Disibodenberg kamen, muss sie sich fügen. Mittwoch ist Pilgertag, und oftmals kommen die Ersten schon am Abend zuvor an. Der Abt ist zufrieden. Die armen Pilger schlafen unter einem Schutzdach auf dem Kirchplatz, die Wohlhabenden logieren sich in der Gästeherberge ein und beschenken das Kloster mit reichen Gaben. Unter den Pilgern sind viele junge Mädchen im Gefolge ihrer Eltern. Ihre Mütter wollen, dass die Mädchen stark im Glauben werden, einige möchten ihre Töchter ohne Umschweife der Kirche geben und für die Errichtung eines Zwillingsklosters am Disibodenberg bezahlen. Es sind fromme und reinherzige Gotteskinder, heißt es, aristokratische Mädchen mit teuren Kleidern und feinen Zügen.
    Jutta muss lange mit dem Abt sprechen, um ihre Interessen zu vereinen. Sie will nicht die Gebete eines ganzen Tages versäumen, um die jungen Mädchen in Psalmen und Liturgie zu unterweisen, aber er hält nicht viel davon, jemanden unverrichteter Dinge fortzuschicken.
    »Ich darf gar nicht unterweisen«, ermahnt Jutta den Abt, »so sind die Regeln für Inklusen.«
    Der Abt ist zu klug, Hildegard zu erwähnen, obwohl er denkt, es würde nicht schaden, wenn Jutta mehrere gleichzeitig unterweisen könnte. Die ersten Jahre am Disibodenberg haben seine Strenge gemildert und ihm zu einer praktischeren Sicht auf die Dinge verholfen. Es ist, als könne Jutta seine Gedanken lesen. Sie muss sich beherrschen, nicht aufzufahren.
    »Wie soll ich mich meinem himmlischen Bräutigam hingeben, wenn diese Mädchen die ganze Zeit an mir ziehen?«, fragt sie, ohne die Antwort des Abts abzuwarten, »nur durch das Gebet kann ich überall zur gleichen Zeit sein.«
    Der Abt fügt sich. Er begrenzt die Besuchszeit für die Adelstöchter und hat Ruhe vor Juttas Klagen. Dennoch streiten sie ein paar Tage später, wie Uda hört. Sie kann nur verstehen, dass Jutta einen Wunsch beständig wiederholt, flehend und stur, während der Abt sich hartnäckig weigert. Sein eigenes Kreuz zu tragen, sagt Jutta, sein Fleisch zu kreuzigen. Der Rest verschwindet, obwohl Uda sich auf Zehenspitzen stellt und das Ohr an den Vorhang in Hildegards Kammer drückt. Es ist deutlich zu hören, dass Kuno aufgebracht ist, aber Jutta gibt nicht auf, bevor er ihr verspricht, am nächsten Tag wiederzukommen. Als er erneut vor ihrem Gitterfenster kniet, fährt sie da fort, wo sie aufgehört hat. Ihre Stimme ist gedämpft, aber schrillt ab und zu wie die eines aufgeschreckten Vogels. Kann nicht … kann nicht … wird nicht hier bleiben auf diese Weise . Dann erhebt sich Kuno. Uda schiebt den Vorhang ein wenig auf, sein Gesicht glüht vor Wut. Er ruft Jutta, aber sie hat sich hinter dem zugezogenen Vorhang verschanzt.
    Mehrere Tage lang bleibt sie stumm. Der Abt kommt, aber sie antwortet ihm nicht. Er spricht freundlich zu ihr, er regt sich auf, er schlägt gegen die Gitterstäbe und spricht von der Macht des Teufels. Hildegards Unterweisung ist ausgesetzt, und Jutta antwortet nicht auf Udas Fragen. Hildegard sagt nichts, es ist, als seien Jutta und sie geheime Verbündete. Jutta hört wieder auf zu essen, und Uda sucht Abt Kuno noch einmal im Kreuzgang auf, um ihrer Sorge Luft zu machen. Der Abt kann seine Wut Uda gegenüber nicht verbergen. Er will überhaupt nicht mit ihr sprechen, er scheucht sie weg, bevor sie etwas sagen kann. Uda bittet Hildegard, mit Jutta zu sprechen, aber das Mädchen schüttelt nur den Kopf.
    Nach einer Woche gibt der Abt anscheinend nach. Als Uda im Küchenhaus Essen holt, erhält sie vom Kellermeister Bescheid, der Abt werde zu den Frauen hineinkommen. Uda wartet zusammen mit Hildegard auf der Steinbank im Kräutergarten. Der Duft von Thymian und Hopfen, Gemeiner Bläuling und Trauermantel scharen sich um die Heckenkirsche. Der Abt ist in Begleitung eines ganz jungen Bruders, den weder Hildegard noch Uda zuvor gesehen haben. Er verzieht keine Miene, hat aber freundliche Augen. In den Armen hält er ein Bündel, eingewickelt in grobes Tuch. Er schwitzt und schüttelt eine Fliege von seinem Gesicht, kann aber den schweren Packen nicht loslassen. Der Abt und der junge Bruder folgen Uda zur Zelle. Als der Abt sie bittet aufzuschließen, zögert sie, und er wird ärgerlich.
    »Törichtes

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