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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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bräunlich, runzelig und rochen irgendwie modrig, aber als die andere Frau einen weiteren und diesmal größeren aus dem Beutel zog, diesen nicht gleich in den Mund steckte, sondern zu kneten begann, tat Gisla es ihr gleich. Die jetzt unförmige Masse schien weicher zu werden, wirkte nicht länger braun wie Holz oder grau wie Stein, sondern rot.
    Es musste Fleisch sein, rohes, getrocknetes Fleisch. Sie würgte, als sie es zum Mund führte, leckte aber dann doch vom Hunger getrieben darüber und schluckte es schließlich hastig, ohne zu kauen. Schon in der Kehle schien der Klumpen stecken zu bleiben. Kurz glaubte Gisla, sie würde daran ersticken - und kurz hoffte sie das auch. Wenn sie starb, bliebe ihr so viel erspart: zu hungern, zu frieren, rohes Fleisch zu essen und vor allem vor diesem Taurin davonlaufen zu müssen. Doch anstatt zu ersticken, würgte und hustete sie - und zu ihrem Erstaunen rutschte der Klumpen tiefer. Sie hatte ihn tatsächlich geschluckt, und sie lebte noch, obwohl es sich nun anfühlte, als läge ein Stein in ihrem Magen.
    Wenn nicht an einem rohen Stück Fleisch, fragte Gisla sich bald, woran werde ich dann sterben? War ihnen Taurin schon auf den Fersen, oder lauerte hinter den Bäumen ein Räuber? Von solchen hatte sie viele unheimliche Geschichten gehört, desgleichen von bösen Geistern, die in den Wäldern ihr Unwesen trieben und gottesfürchtige Eremiten in Versuchung führten. Doch wenn es Eremiten gab, dann vielleicht auch ein Kloster, in das sie flüchten konnte, um dem Wunsch der Mutter, ein Leben im Gebet und nicht an Rollos Seite zu führen, zu folgen.
    Derart in Gedanken versunken hatte Gisla nicht gemerkt, dass die andere sie musterte. Wieder war ihr Blick abschätzend, aber nicht mehr ganz so unbarmherzig.
    »Gisla?«
    Sie hob den Blick. Erkannte sie sie auch? Gisla überlegte, ob sie es leugnen sollte, aber nickte dann eifrig.
    »Ja«, rief sie, »ja, ich bin Gisla! Ich bin die Tochter des Königs, und ich muss unbedingt nach Laon zurückkehren!«
    Sie brach ab. Nun öffnete die andere den Mund, sagte etwas, wiederholte es mehrmals, und nach einer Weile glaubte Gisla das Wort »Runa« zu verstehen.
    Sie wusste nicht, was das bedeutete, und zuckte die Schultern, aber als die Frau erst auf sie deutete und »Gisla« sagte, dann auf sich selbst und »Runa« wiederholte, begriff sie, dass das ihr Name war.
    Runa griff nach einem Ästchen und schrieb etwas auf den Waldboden, und als Gisla sich darüberbeugte, reifte kurz die irrwitzige Hoffnung, dass sie - wenn sie schon keine vertrauten Worte aus dem Mund der Frau hörte - vertraute Buchstaben würde lesen können. Doch diese hatte keine Buchstaben geschrieben, weder vertraute noch fremde, sondern ein merkwürdiges Gebilde gezeichnet. Gisla ging einmal darum herum, betrachtete es von allen Seiten. Das Gebilde sah aus wie ein Boot.
    Gisla zuckte die Schultern und starrte Runa ratlos an. »Was ... was willst du mir denn damit sagen?«, stammelte sie.
    Eine Weile standen sie einander gegenüber, schweigend und hilflos. Dann warf Runa den Zweig weg, packte sie am Oberarm - so fest, dass Gisla vermeinte, ihre Knochen müssten brechen -, und zerrte sie weiter.
    Was Runa mit dem Boot bekunden wollte, hatte Gisla nicht verstanden. Aber es waren keine Worte nötig, um in ihr die Angst zu wecken, dass Taurin sie verfolgen würde und dass sie darum nicht länger rasten durften.
    In dieser Welt jenseits allem Vertrauten schien die Zeit nicht einfach vorüberzugehen, sondern im grünlich diesigen Licht des Waldes zu versinken. Schon nach wenigen Schritten, die sie tiefer in den Wald hineinführten, überkam Gisla das Gefühl, nie wieder aus dem Baumlabyrinth herauszufinden.
    Das nährte Furcht, jedoch auch die Hoffnung, dass Taurin sich ebenfalls verirren konnte. Und solange sie sich bewegte, konnte sie darüber hinaus wenigstens der Kälte Herr werden.
    Runa setzte nicht auf Hoffnung, sondern auf Vorsicht. Sie ging voran, blieb stets nach ein paar Schritten stehen, um zu lauschen. Gisla hielt den Atem an und lauschte mit ihr, hörte Knacken und Rascheln und Heulen - vielleicht Geräusche von Tieren, den Bäumen und dem Wind. Oder von Feinden? Keines war dabei, was ihr nicht bedrohlich schien, keines ließ sie nicht erbeben - doch jedes Mal entschied Runa, weiterzugehen.
    Sie gingen unter Bäumen, die ihr Herbstlaub auf sie regnen ließen, später durch Tannenwald. Nadeln stachen ihnen ins Gesicht und in die Füße. Das Licht wurde trüber -

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