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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Strom war nicht minder groß, aber es gesellte sich auch Erleichterung hinzu: Wenn sie in die richtige Richtung geritten waren, dann war dies die Epte und folglich die Grenze zum Frankenreich. Und wenn sie diese irgendwie überwinden konnten, dann waren sie Laon ein bedeutendes Stück näher gekommen. Sie wusste jedoch: Den Fluss zu passieren barg mehr als nur eine Gefahr - die von einem Strudel mitgerissen zu werden und zu ertrinken ebenso, wie im kalten Wasser zu erfrieren.
    Runa sprang vom Pferd, Gisla tat es ihr gleich. Die Bewegung fiel wendiger aus als noch an den Tagen zuvor, da sie auf den Boden geplumpst war wie ein Stein - ein Zeichen dafür, dass sie sich an das harte Leben angepasst hatte. Doch die Wendigkeit allein würde die Überquerung des Flusses nicht leichter machen. Das Pferd blähte seine Nüstern, Runa hingegen wirkte ratlos. Ähnlich wie ihre Angst vor dem großen Tier ließ auch die vor dem Fluss sie menschlich wirken, aber wenn Gisla die Wahl gehabt hätte, hätte sich Runa in diesem Moment gerne als Teufelsweib erweisen können, das breitbeinig an den Fluss herantrat, sich durch die Fluten kämpfte und mit rauer Stimme den Stromschnellen befahl, für eine Weile nachzulassen.
    Natürlich konnte sie das nicht. Natürlich waren Flüsse für Menschen des Nordens eine so große Gefahr wie für die Franken.
    Während sie auf das rauschende Wasser starrten, dachte Gisla an die Ängste, die Bruder Hilarius auf ihrer Reise nach Saint-Clair-sur-Epte ausgestanden hatte. Auch damals waren sie über einen Fluss gekommen - die Epte. Das Wasser hatte feindselig angemutet, grau und wild, und Bruder Hilarius war sich sicher gewesen, erbärmlich darin ertrinken zu müssen, nun, da es kaum mehr Brücken gab: Entweder waren sie von den Nordmännern zerstört worden, weil die Franken von dort aus ihre Schiffe angriffen, oder von Franken selbst, damit die Nordmänner nicht über den Fluss kamen.
    Wo es keine Brücken gab, konnte man eine Furt benutzen - vorausgesetzt, man wusste, wo das Wasser nicht sonderlich tief stand. Die Männer, die den Brautzug begleitet hatten, hatten es gewusst und alle, auch Bruder Hilarius, heil über den Fluss geschafft. Doch sie und Runa hatten keine Ahnung, was zu tun war.
    Runa entschied schließlich, nicht länger zu zögern. Sie packte das Pferd bei der Mähne, zog es zum Fluss und deutete Gisla an, ihr zu folgen. Offenbar wollte Runa nicht auf dem Rücken des Pferdes den Fluss überqueren - falls das Tier strauchelte, würden sie fallen und ertrinken -, sondern sich an seine Mähne klammern und darauf setzen, dass das Tier den besten Weg finden würde.
    Dieses dachte gar nicht daran, ins Wasser zu steigen. Es stand steif da, schnaubte, blähte wieder seine Nüstern, obwohl Runa immer wütender an seiner Mähne zerrte. Plötzlich bäumte sich das Pferd hoch auf, und Runa und Gisla wichen erschrocken zurück. Im gleichen Augenblick spürten sie, wie die Erde erbebte. Hufgetrappel drang an ihre Ohren.
    Gisla hoffte kurz, dass ihre Sinne sie täuschten, aber diese Hoffnung starb bald.
    Sie öffnete den Mund, brachte vor Entsetzen erst keinen Ton hervor und schrie dann verzweifelt: »Sie kommen!«
    Keinen Augenblick lang hegte sie einen Zweifel daran, wer es war, und auch Runa, bis jetzt damit beschäftigt, das Pferd zu zähmen, hielt inne, hörte den gleichen Laut und duckte sich. Eine Weile starrten sie sich nur an, aneinandergepresst, geeint vom Wissen um ihre ausweglose Lage. Hinter ihnen kamen die Feinde, und vor ihnen war der Fluss, und das Einzige, was zwischen den Feinden und dem Fluss stand, war ein Pferd, das sich als störrisch erwies.
    Obwohl von den Reitern noch nichts zu sehen war - die Bäume standen am sumpfigen Ufer dicht genug, um sie zu verbergen -, löste sich Runa aus der Starre. Ein Schwarm schwarzer Vögel stob kreischend auf. Sie ließ das Pferd los, bekundend, dass es ihnen, so störrisch es sich gab, nicht länger nützlich sein würde, packte stattdessen nun Gisla und zog sie in Richtung des reißenden Wassers. Kurz verharrte sie vor den grauen Fluten, um danach umso entschlossener hineinzustapfen und Gisla zu zwingen, ihr zu folgen. Schon nach zwei Schritten reichte ihnen das Wasser bis zu den Knien.
    Gisla versuchte sich zu wehren, doch sie gab schnell auf. Als sie das kalte Wasser traf, glaubte sie erst, tausend kleine Nadeln stächen ihr ins Fleisch, und während sie bis zur Hüfte darin versank, wurden aus den Nadelstichen Peitschenhiebe, so

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