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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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hatten.
    »Verdammt!«, schrie Taurin.
    Immer noch schossen Pfeile durch die Luft, einer von ihnen ging haarscharf an seinem Kopf vorbei. Erst jetzt drehte er sich um, hob die Hand, um den Schützen Einhalt zu gebieten, und watete zurück ans Land.
    »Es ist zu spät!«, murrte er. »Selbst wenn ihr sie sehen könntet - von dieser Entfernung trefft ihr sie nie und nimmer!«
    »Ich glaube, sie haben schon genügend abbekommen«, meinte einer der Männer grinsend.
    Er schien zufrieden - Taurin war es ganz und gar nicht.
    Es nur zu glauben war ihm zu wenig - und selbst wenn er sich hätte sicher sein können, dass die Frauen getroffen worden waren, hatte das keinerlei Nutzen für ihn. Ob tot oder lebendig - um der Welt zu beweisen, dass Prinzessin Gisla nicht behütet in Rouen hockte, sondern durch das Nordmännerland irrte, musste er ihrer habhaft werden. Doch wenn sie tot war, dann hatte der Strom sie mitgerissen. Und wenn sie noch lebte, dann befand sie sich jenseits der Epte, folglich jenseits der Grenze vom Nordmännerland, die er nicht überschreiten durfte.
    Seine Männer ließen die Bogen sinken, verstauten ihre restlichen Pfeile. Am liebsten hätte er sie bestraft, weil sie vorschnell geschossen hatten. Er hatte es noch nicht befohlen, wollte die Frauen mit dem Anblick der gespannten Bogen lediglich einschüchtern. Doch statt seine Männer zu beschimpfen, wandte er sich ab.
    Er presste seine Hände auf die Schläfen, atmete keuchend.
    Obwohl das Zischen der Pfeile längst verhallt war, hörte er es immer und immer wieder. Er hasste Pfeile. Er hasste es, sich unter ihnen ducken zu müssen. Auch damals, bei dem großen Angriff, der sein Leben für immer verändert hatte, waren so viele Pfeile auf sie herabgegangen, und diesen tödlichen Waffen gleich schossen Erinnerungen auf ihn zu, trafen ihn mitten ins Herz.
    Die Feinde ... sie hatten Plattformen gebaut, und die Pfeile, die sie von dort abgeschossen hatten, waren Pfeile aus Feuer gewesen. Und Katapulte ... mit Katapulten hatten sie Steine auf jene Mauer geworfen, der Flammen allein nichts anhaben konnten ... Sie standen in einem steten Regen, nein, einem Hagel aus Wurfspießen, Pfeilen, Steinkugeln und Pechfackeln.
    Er schüttelte den Kopf, doch die Bilder waren übermächtig und das Echo der einstigen Laute durchdringend.
    Die Pfeile, wie sie zischten - die Wurfgeschosse, wie sie donnerten! Lauter beides als die Sturmglocken, die die Krieger zu den Waffen riefen!
    Jene Krieger versuchten sich mit aller Macht zu wehren, schütteten kochendes Öl auf die Angreifer und lauschten, als sich das Zischen und Donnern mit Schreien vermengte. Es war nur das Schreien der Feinde, und die hatten den grässlichen Tod verdient. Doch ob verdient oder nicht, die Schreie der Sterbenden blieben unerträglich.
    Wieder schüttelte er den Kopf. Ob die Frau mit den schwarzen Augen, die stark war wie er, nicht minder verbissen und nicht minder zäh, deren Körper er berührt hatte wie seit Jahren keinen zweiten, deren Herzschlag er gespürt und deren warmer Atem sein Gesicht getroffen hatte, ob diese Frau also auch geschrien hatte, als ein Pfeil sie traf oder die Fluten sie mitrissen? Oder ob sie nun jenseits des Flusses und jenseits des Nebels stand und über ihn triumphierte?
    Taurin schloss die Augen, wollte nicht an sie denken, wollte nur an seine Geliebte denken ... und sah doch nur wieder Schlachtenbilder.
    Rammböcke stießen gegen das Gemäuer - Eichenstämme von riesigem Ausmaß. Bei ihrem Anblick hatte er jemanden sagen hören, die Bäume wüchsen im Land der Heiden höher und würden dicker als sonstwo. Wie kann das sein?, hatte er gedacht. Gott muss in solchem Land doch alles von der Wurzel an verdorren lassen.
    Aber Gott griff nicht ein, und die Heiden waren zwar grausam, aber nicht dumm.
    Er riss die Augen auf, ballte seine Hände zu Fäusten. Grau rauschte der Fluss an ihm vorbei, doch er sah ihn nicht, er sah nur seine Schöne. So schwer verletzt, so tief getroffen, niemals wieder heil. Er lebte für die Erinnerung an sie und für die Rache. Doch die Erinnerung schien vom schmutzigen Fluss davongerissen zu werden, und seine Rache hatte er auch nicht bekommen.
    Rache, die so nahe war. Er hätte Gisla nicht einmal töten müssen, sondern sie lediglich nach Rouen bringen, den Betrug aufdecken und Rollo solcherart beweisen müssen, dass man einem fränkischen König nicht trauen und nicht mit ihm in Frieden leben könnte, sondern besser in dessen Land einfiel, um

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