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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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der Hinweis darauf nicht in die Hände Godekes von Holdenstede gelangt. Wenn er den Brief seines Schwagers nicht findet, bleibt auch der Brief des Grafen für immer versteckt. Und das bedeutet, dass Albert von Holdenstede im Einlager bleiben muss.« Zufrieden bemerkte Johann, dass der Geistliche Interesse zeigte. »Niemand außer uns beiden darf je von diesen zwei Briefen erfahren«, setzte er daher nach. »Nur dann kann ich mich darum bemühen, dass man Euch dieses verlassene Haus als den gerechten Lohn für Eure Arbeit zuspricht. Ein so tüchtiger Mann wie ihr, der sich der Stadt Hamburg so überaus verdient gemacht hat, sollte doch nicht leer ausgehen, oder? Wie ich schon sagte: Eure Worte sind mir etwas wert.«
    Everard begriff. Mit einem boshaften Lächeln entgegnete er: »Ich verstehe, Ihr seid ein Mann des Wortes. Das gefällt mir mindestens ebenso gut wie Euer Vorschlag.« Er legte die Rechte mit gespreizten Fingern auf den Brief, schob ihn zurück zu Johann und sagte: »Er gehört Euch.«
    Die Männer leerten ihre Becher und verabschiedeten sich voneinander.
    Johann trat auf die Reichenstraße hinaus und rieb sich die Augen. Vergeblich versuchte er, seine wirren Gedanken zu ordnen. Dieser Everard hatte sich zu guter Letzt als redselig erwiesen, doch was würde er mit diesen Informationen anfangen können? Natürlich war er nach wie vor der Überzeugung, dass Runa keine Hexe war. Everards haltlose Beschuldigungen hatten dies nur bestätigt. Dennoch war es unmöglich, mit diesem Wissen einfach zum Bürgermeister zu rennen. Zu recht würde man ihn fragen, warum die angeblich unschuldige Familie dann aus Hamburg geflohen war. Außerdem war da immer noch die unerklärliche Heilung der stummen Magd. Johann war ratlos. In sich gekehrt schritt er in Richtung seiner Kurie, als er auf einmal ein leises Rufen vernahm.
    »Pssst. Herr, hier bin ich.«
    Johann sah sich um. Hier und da spazierten ein paar Mägde die Straße entlang, und auch das eine oder andere Kind war zu sehen, doch niemand schenkte ihm so recht Beachtung. Plötzlich erblickte er in einer dunklen Nische zwischen zwei schiefen Häusern eine junge Frau. Es war die lahme Magd, die ihn in Vater Everards Haus eingelassen hatte. Hektisch winkte sie nach ihm, damit er auf sie aufmerksam wurde. Verwundert blickte er sie an, dann vergewisserte er sich schnell, dass niemand ihn beobachtete, und verschwand in der engen Häusernische.
    »Herr, bitte hört mich an«, flehte die Magd geradezu.
    »Sprich«, befahl Johann knapp.
    »Ich weiß, es steht mir nicht zu, mich in die Angelegenheiten der Männer zu mischen, aber es war für mich nicht zu überhören, dass Ihr mit Vater Everard über meine Herrin gesprochen habt. Ich wollte nicht lauschen, doch …«
    »Schon gut«, fiel Johann ihr ins Wort. Er wollte unbedingt wissen, was sie zu sagen hatte. »Was ist es, das du auf dem Herzen hast? Rede schon, Mädchen.«
    »Runa von Sandstedt ist ganz sicher keine Hexe. Bitte, Herr, Ihr müsst mir glauben. Gott ist mein Zeuge.« Geschwind bekreuzigte sie sich. »Ich diene nun schon eine ganze Weile unter ihr, und niemals ist mir etwas Seltsames aufgefallen, das mich an ihrer Gottesfürchtigkeit hätte zweifeln lassen.«
    »Das ist gut«, sagte Johann fast enttäuscht darüber, dass die Magd nichts Augenfälligeres vorzubringen hatte als ihr tiefes Vertrauen in Runa.
    »Das ist aber noch nicht alles. Mein eigentliches Anliegen betrifft die zweite Magd des Hauses – Johanna.«
    »Ja? Was ist mit ihr?«, fragte Johann nun wieder ganz Ohr.
    »Das Wunder war gar keines, Herr. Johanna hatte vorher bereits gesprochen, und zwar mit mir.«
    »Was sagst du da?« Johann fasste Agnes vor lauter Aufregung an den Schultern und erschreckte die Magd damit zutiefst. »Heißt das, sie war in Wirklichkeit gar nicht stumm?«
    »Ich … ich weiß es nicht genau, Herr. Alles, was ich sagen kann, ist, dass sie bereits das Wort an mich gerichtet hatte, bevor sie auf dem Kranfest plötzlich zu der Menge sprach. Ich bin nicht klug, doch ich denke, dann ist es doch gar kein Wunder, oder?«
    Johanns Hände glitten von den Schultern des Mädchens. »Es ist richtig, dass du mir das gesagt hast. Wer weiß noch davon?«
    »Niemand.«
    »Auch nicht Vater Everard?«
    »Nein.«
    »In Ordnung. Du darfst niemandem davon erzählen, hast du mich verstanden?«
    Agnes nickte mit scheuem Blick. Dann nahm sie ein letztes Mal all ihren Mut zusammen und fragte: »Herr, glaubt auch Ihr, dass Runa von Sandstedt eine

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