Tochter des Ratsherrn
ist es Eure neue Rüstung, die sie sprachlos macht. Ihr seht stattlich und furchteinflößend zugleich darin aus.«
»Ha, dieses Bauernpack!«, rief Gerhard II. mit einem verächtlichen Lachen. »Es ist wahrlich kein Wunder, dass es beim Anblick solch kostbarer Schmiedekunst verstummt.« Selbstherrlich strich sich der Blinde bei diesen Worten über sein engmaschiges Kettenhemd.
»Wie wahr, mein Fürst«, pflichtete der Ritter seinem Herrn bei und neigte den Kopf.
Plötzlich hielt der Graf seinen Rappen an, auf dass sein gesamtes Gefolge rumpelnd zum Stehen kam, und verlangte wie aus dem Nichts: »Bringt mich in die Reichenstraße, Marquardus. Ich will das Haus betrachten, welches ich im Tausch gegen die Freilassung des Kaufmanns Albert von Holdenstede erhalten habe.«
»Wie Ihr wünscht«, antwortete der Ritter und wunderte sich wie immer darüber, dass sein blinder Herr davon sprach, etwas betrachten zu wollen.
Der lange Tross aus unzähligen Tieren, Wagen und Menschen schlängelte sich schwerfällig durch die Straßen und hinterließ eine mächtige Staubwolke, die sich braun und grau über alles und jeden legte, den sie passierten. Dann waren sie da.
»Hier ist es.«
»Beschreibt es mir. Wie sieht es aus?«
Marquardus musterte das Kaufmannshaus. Dieses Mal musste er nichts hinzuerfinden, um seinen Herrn milde zu stimmen, denn das Haus war prächtig genug. »Nun, es ist ein stattlicher Bau aus Stein mit zwei Stockwerken und Lagerräumen im Keller. Links neben dem Eingang befindet sich eine Einfahrt, durch die es wohl zum Innenhof geht. Wollt Ihr hineingehen, Herr?«
»Nein, ich werde später wiederkehren. Sorgt dafür, dass das Haus recht bald im Hamburger Erbebuch als das meine vermerkt wird.«
»Ich werde gleich morgen die Ratsschreiberei aufsuchen.«
»Gut, jetzt bringt mich zum Kunzenhof. Mal sehen, ob mein törichter Vetter Johann II. schon da ist oder ob er gar die Begegnung mit mir scheut und den diesjährigen St. Veitsmarkt verstreichen lässt.«
Das Gefolge wollte sich gerade wieder in Bewegung setzen, als Marquardus plötzlich etwas entdeckte. Es war nur eine kleine Regung an einer schmalen Fensterluke – und doch hatte er sie bemerkt. Mit befehlsgewohnter Stimme gab er zwei der gräflichen Wachen seine Anweisung, während er mit dem Finger auf die Luke zeigte. »Bringt den Kerl sofort zu mir, der sich in dem Haus versteckt.«
Die beiden Wachen gehorchten sofort und kamen nach nur wenigen Augenblicken mit dem zeternden Vater Everard am Kragen heraus.
»Wer seid Ihr?«, fragte Marquardus den Geistlichen streng.
»Ich bin ein Priester, Herr. Mein Name ist Vater Everard«, verriet der nun am Boden kniende Mann mit einer sichtlich gespielten Unschuldsmiene.
»Was macht Ihr im Haus meines Herrn? Dies ist der Besitz von Graf Gerhard II. von Holstein-Plön.«
»Bitte verzeiht, mein Herr. Ich wollte gewiss nichts Unrechtes tun. Ich hatte keine Ahnung, dass sich dieses Haus jetzt in gräflichem Besitz befindet. Habt Erbarmen«, bat Everard mit unterwürfigem Blick. »Ihr müsst wissen, edler Ritter, dass dieses Haus einst von einem Verräter und seiner ketzerischen Sippschaft bewohnt wurde.« Nun richtete er das Wort direkt an Gerhard II. »Ich bin nur ein einfacher Mann und nicht wie Ihr ein Fürst edlen Geblüts. Bitte vergebt mir, wenn ich Euch erzürnt habe, aber ich dachte mir, es könne nicht schaden, das Haus mit geweihtem Wasser und ein paar Gebeten zu segnen. Das allein ist der Grund, warum ich auf Eurem Grundstück weile.«
Everard schlug die Augen nieder. Er zitterte vor Angst, dass sein Schwindel enttarnt wurde. In Wahrheit hielt er sich in Alberts Haus auf, weil man ihn in Walthers Haus überfallen, geschlagen, gefesselt und bestohlen hatte, sodass er dort seither vor Angst kein Auge mehr zutat. Zu seinem Leidwesen konnte er sich niemandem anvertrauen, da sonst herausgekommen wäre, dass er versucht hatte, den Brief des Grafen zu unterschlagen, um Albert für immer im Einlager schmoren zu sehen.
Marquardus musterte den Geistlichen mit der ekelhaft kriecherischen Miene eindringlich. Er misstraute ihm vom ersten Augenblick an. »Warum habt Ihr ein blaues Auge, und warum tragt Ihr einen Verband um Eure Hand?«
»Ach, das ist nichts, Herr. Meine ungeschickten Finger eignen sich offenbar besser zum Beten und Segnen als für die häusliche Arbeit. Doch inzwischen dient mir eine Magd.«
Der Ritter glaubte kein Wort von dem Geschwätz des Priesters. Niemals rührten diese Verletzungen von
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