Tochter des Ratsherrn
verunsichert, »… ich meine … vielleicht.«
Sie runzelte die Stirn. »Ich werde nicht schlau aus dem, was Ihr sagt. Habt Ihr nun eine schlimme Sünde begangen, die Euch bedrückt, oder nicht? Ich schätze es gar nicht, wenn mein Gesinde sich frevelhaft verhält. Solltet Ihr wirklich gesündigt haben, so verlange ich von Euch die sofortige Beichte und eine entsprechende Buße.«
»Nein, Herrin. Ich habe keine Sünde begangen, das versichere ich Euch«, antwortete Walther wahrheitsgemäß.
»Das beruhigt mich außerordentlich, Spielmann. Und es macht vieles einfacher. Da ich jetzt weiß, dass es keine Sünde ist, die auf Euch lastet, will ich Euch Euer Geheimnis lassen und nicht weiter in Euch dringen. Ich hoffe, Ihr findet Euren Frohmut bald wieder. Vielleicht tragen ja meine folgenden Worte dazu bei, denn ich habe mich jüngst entschieden, meinen Dank für Eure Dienste auszudrücken, indem ich Euch einen Wunsch gewähre.«
»Einen Wunsch?«, wiederholte Walther ungläubig.
»Ja, richtig, einen Wunsch. Gibt es etwas, das Ihr Euch wünscht, Walther von Sandstedt? Wenn es in meiner Macht liegt, will ich es mit Freuden erfüllen, um Euch meine Anerkennung aufzuzeigen.«
»Das ist überaus großzügig von Euch. Und, ja, es gibt tatsächlich etwas, das ich begehre, Gräfin. Lasst mich gehen!«
»Was sagt Ihr da?«, entfuhr es Margareta von Dänemark fassungslos. »Das ist unmöglich! Ich werde Euch nicht gehen lassen«, bestimmte sie in jenem festen Ton, mit dem sie auch ihre Damen hinausgeschickt hatte. »Warum im Namen Christi wollt Ihr die Burg verlassen?«
»Ich muss nach Hamburg, Herrin. Es geht um eine Frau – genau genommen um meine Frau.«
»Um Eure Frau? Ihr habt ein Weib, das in Hamburg lebt? Was ist mit ihr?« Margarete war sichtlich aufgewühlt, und als sie nicht schnell genug Antwort bekam, herrschte sie ihn ungeduldig an: »Schluss jetzt mit Eurer Zögerlichkeit! Sagt sofort die Wahrheit, Spielmann!«
Walther gab augenblicklich jeden Widerstand auf und gestand: »Sie ist im Verlies, Herrin.«
»Im Verlies? Um Himmels willen, warum? Was wird ihr vorgeworfen?«
»Sie wird der Hexerei beschuldigt.«
Margarete von Dänemark hielt einen Moment inne und senkte den Blick. Mit dieser Antwort hatte sie wahrlich nicht gerechnet. Gedankenverloren nestelte sie an den verworrenen Fäden ihrer Stickerei. Schließlich fragte sie: »Und, ist sie eine Hexe?«
»Nein, Runa ist keine Hexe!«
Wieder folgte ein nervenzerrendes Schweigen, welches die Gräfin erst nach einer ganzen Weile beendete. »Sagt mir noch eine letzte Sache: Warum habt Ihr sie dort zurückgelassen?«
»Herrin, ich weiß, diese Bitte steht mir nicht zu, aber ich flehe Euch an, zwingt mich nicht, diese Frage zu beantworten. Das, was damals war, ist vergangen. Alles, was ich heute weiß, ist, dass ich versuchen muss, sie zu befreien. Ich habe keine Ahnung wie, doch ich muss es einfach versuchen. Mit all meiner Kraft. Darum lasst mich bitte gehen.«
»Nun gut«, schloss die Gräfin mit so ernstem Gesicht, dass sich kleine Falten um ihren Mund bildeten. »Ich werde Euch nicht zwingen, mir die Geschichte Eurer Frau jetzt zu erzählen, aber auf dem Weg nach Hamburg, da werdet Ihr mir ausführlich berichten.«
»Was meint Ihr damit, Gräfin?«
»Ich halte mein Wort – immer! Und da ich versprochen habe, Euch einen Wunsch zu erfüllen, werde ich Euch nach Hamburg ziehen lassen; zusammen mit dem gräflichen Gefolge. Ich werde meinen Gemahl davon überzeugen, Euch zum diesjährigen St. Veitsmarkt in Hamburg mitzunehmen. Dann könnt Ihr Eure Angelegenheiten regeln und ich mein Versprechen einlösen. Gott stehe Euch und Eurem Weibe bei!«
»Marquardus, sagt mir, wie viele Leute stehen am Rande der Straßen, um mich zu begrüßen? Es ist so still hier.« Graf Gerhard II. wandte immer wieder seinen Kopf nach links und rechts und ließ seine geisterhaft weißlich getrübten Augen umherschweifen. Obwohl er kaum mehr erkennen konnte als das Licht der Sonne und den Schatten der Nacht, hatte sein Blick etwas Stechendes.
Der Ritter kannte seinen Herrn und wusste nur zu genau um die Folgen der Wahrheit. An den Straßen standen lediglich diejenigen, die sich nicht mit irgendeiner Arbeit entschuldigen konnten: Bettler, neugierige Kinder und Alte. Jedermann sonst hatte sich offenbar nur zu gern davongeschlichen, um sich vor der Huldigung des ungeliebten Grafen zu drücken. »Sie sind alle da, mein Fürst, und alle schauen sie ehrfürchtig drein. Vielleicht
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