Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
Vom Netzwerk:
hatte stets eine berauschende Wirkung auf ihn, und die Trommel ließ sein Bein wie von selbst auf und ab wippen. Er konnte sich der Musik nicht entziehen. Obwohl er sehr wohl wusste, dass Spielleute wegen ihres Vagabundenlebens verachtet wurden und bei der Kirche als Diener des Satans verschrien waren, verachtete er selbst sie nicht. So absurd es auch war, er beneidete sie sogar. Was hätte er darum gegeben, nun bei ihnen stehen und mit ihnen musizieren zu können! Wie froh es ihn stets machte zu singen, konnte er kaum beschreiben. Nichts anderes verschaffte ihm ein solches Wohlgefühl.
    Thiderich bemerkte Walthers Blick und stieß ihm lachend den Ellenbogen in die Seite. »Wach auf, du Spielmann!«
    Gleich darauf fielen auch Albert und Godeke in sein Gelächter mit ein. Alle wussten um Walthers Leidenschaft. Wann immer sich die Gelegenheit dazu bot, gab er seine wohlklingende Stimme zum Besten. Schon längst genoss er den Ruf, ein hervorragender Minnesänger zu sein.
    Nun kamen die Hofnarren auch zu ihnen herüber. Die Gesichter zu Fratzen verzerrt schlichen sie wie lauernde Tiere um die Gäste herum. Immer wieder wurden sie mit irgendwelchen Speisen beworfen oder gar derb gestoßen, sodass sie der Länge nach ins Stroh fielen. Die Besoffenen grölten vor Lachen, während die Narren unermüdlich ihre nicht verebben wollenden, dreisten Scherze abgaben. Von einem guten Narren wurde einfach erwartet, dass er niemals schwieg.
    Nachdem die Musikanten eine Weile gespielt und die Narren ihre Späße getrieben hatten, gab Johann II. erneut ein Zeichen. Kurz darauf betraten zwei Männer und eine Frau den Saal. Sie trugen eine Fidel und eine Harfe bei sich.
    Walthers Aufregung stieg weiter an; die Spötteleien der Freunde interessierten ihn nicht. Er heftete den Blick auf den Mann, der ohne ein Instrument dastand.
    Zunächst hörte man nur die wundervollen Klänge der Harfe. Dann kam die Fidel hinzu. Die Gäste lauschten erwartungsvoll, denn nun folgte eine Minne über die Grafensöhne. Ein solches Lied hatte große Bedeutung. Gefiel es dem besungenen Herrscher, konnte es vorkommen, dass er die Spielleute den Winter über bei sich behielt. Mühsames Herumziehen, Hunger und alle Nöte hatten für das Trüppchen zumindest eine Zeit lang ein Ende. Doch fand der Gesang keinen Gefallen, war es ebenso möglich, dass die Gaukler noch am selben Tag aus der Stadt getrieben wurden oder gar am Galgen endeten.
    Der Minnesänger war aufgeregt und zitterte sichtlich. Kurz nachdem die ersten Worte erklungen waren, wich jede Farbe aus seinem Gesicht. Dann passierte es. Die Harfe und die Fidel spielten hinter ihm, doch kein einziger Laut drang mehr aus seinem Munde. Es dauerte nicht lange, da fingen die Hofnarren an, sich einen Spaß mit ihm zu erlauben. Sie stellten sich rechts und links von ihm auf und ahmten ihn in überzogener Weise nach. Der eine tat so, als könne er plötzlich nicht mehr sprechen, und fiel auf die Knie, den Blick nach oben gerichtet, die Hände gefaltet. Stumm schien er Gott um Hilfe anzuflehen, während der andere zu flennen begann und auf den Knien hinüber zu den Grafen rutschte. Mit ausladenden Gesten flehte er um Vergebung, wofür er einen Tritt erntete.
    Plötzlich sprang einer der Ritter von den Holzbänken auf. Er war voll des Weines und konnte fast nicht mehr stehen, doch der Jubel und das Geschrei seiner Gefolgsleute ließen ihn direkt auf den Minnesänger zutorkeln. Mit einem kräftigen Fausthieb streckte er den Unglücklichen zu Boden, worauf ein wildes Gegröle ausbrach.
    Als das Johlen endlich abebbte, erhob sich Graf Johann II., worauf sich alle Köpfe in seine Richtung wandten. »Edler Marquardus Scarpenbergh. Ich danke Euch, dass Ihr uns so kühn von diesem Übel befreit habt.«
    Gleich nach diesen Worten brachen die Ritter erneut in lautes Gelächter aus, doch auf einen Wink des Grafen hin verstummten sie wieder.
    »Ich frage mich allerdings, ob ein schlechter Minnesänger nicht besser gewesen wäre als gar keiner.«
    Auf diese Worte wusste nun niemand mehr etwas zu erwidern. Johann II. fuhr fort. »Mich gelüstet es nach Gesang«, sprach der Graf mit bedrohlich ruhiger Stimme. »Sagt, edle Ritter, ist einer unter Euch, der es versteht, eine Minne vorzutragen? Wenn dem so sei, dann tretet vor und singt.«
    Niemand rührte sich. Nur das Knurren zweier Hunde, die in einer Ecke des Saals um ein Stück Knochen kämpften, durchbrach die Stille. Der Augenblick war erfüllt von einer unangenehmen Spannung.

Weitere Kostenlose Bücher