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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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würde, und ihre Vorfreude auf köstliche Backwaren und kunstvolle Handarbeiten wuchs mit jedem Augenblick. Aber weder der Sonnenschein noch das duftende Gebäck waren der wahre Grund ihrer Freude. Dieser Tage wäre sie wohl auch zum Markt gegangen, wenn sie dort bloß Fischgräten und Pferdepisse bei strömendem Regen verkaufen würden. Die Aussicht auf ein wenig Zeit ohne Vater Everard war verlockend genug.
    Runa hatte sich fest vorgenommen, heute nach einem Tuch zu schauen, aus dem sie ein Kleid für die Hochzeit von Margareta und Hereward schneidern konnte. In ihrer Vorstellung konnte sie sich bereits darin sehen. Es sollte sie schön wie eine Braut aussehen lassen und gerade noch so bescheiden sein, dass sie Margareta damit nicht übertraf. Ohne es zu merken, umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Wie sehr sie schöne neue Kleider doch liebte, noch dazu, wenn ein so freudiger Anlass dahinterstand!
    »Johanna, wo bleibst du denn?«, rief Runa ungeduldig, während sie ihren Schleier noch ein letztes Mal richtete. Natürlich konnte Johanna nicht antworten, doch ein Rumpeln in der Küche verriet Runa, dass sie wohl noch schnell die Vorräte überprüfte, um sich zu vergewissern, was sie heute kaufen musste. Runa ging stets in Begleitung einer Magd hinaus, denn es schickte sich nicht, als Frau alleine auf der Straße unterwegs zu sein. Und da Agnes seit ihrem Unfall nur langsam und auf Stützen laufen konnte, war es häufig Johanna, die Runa begleitete.
    Als sie endlich Schritte hinter sich vernahm, drehte sie sich lächelnd um in der Erwartung, ihrer stummen Magd gegenüberzustehen. »Nun beeile dich doch. Ich freue mich schon den ganzen Morgen darauf, endlich nach einem Tuch für …« Abrupt hielt Runa inne. Vor ihr stand nicht Johanna, sondern Vater Everard, der ihr mit zornigem Blick in die Augen schaute.
    »So, so. Du willst also zum Markt gehen«, sprach der Priester mit beängstigend ruhiger Stimme. »Und du gestehst auch noch, dich darauf zu freuen?«
    Runa war der Schreck in die Glieder gefahren. Mit stockender Stimme wollte sie sich erklären, doch sie wusste einfach nicht, was dem Kirchenmann gefallen hätte. »Ich … ich wollte …«
    »Schweig!«, stieß der Priester wütend aus. »Weißt du denn nicht, dass der Markt voll ist von Sünde? Überall lauern Verlockung, Völlerei und Maßlosigkeit, die einer Frau nicht gut zu Gesichte stehen. Du wirst hierbleiben, dich im Gebet üben und unseren Herrn um Vergebung für deine wollüstige Habgier bitten, du verdorbene Sünderin!«
    Runa traute kaum ihren Ohren. Natürlich wusste sie, dass Geistliche den Markt mit all seinen Verlockungen als Sündenpfuhl ansahen. Immer wieder stritten das Domkapitel und der Rat darüber, was möglicherweise verboten werden sollte – angefangen bei den Spielleuten bis hin zum Verkauf gewisser Kräuter. Doch bisher hatte sich Runa immer darauf verlassen, dass die Marktvögte der Stadt sich um derlei Dinge kümmerten und ausführten, worauf die Herren sich geeinigt hatten. Dass Vater Everard plötzlich Anstoß an dem Besuch des Marktes nehmen könnte, wäre ihr nicht im Traum eingefallen. Noch während sie dastand und überlegte, was sie zu ihrer Entschuldigung hervorbringen sollte, ertönte plötzlich eine Stimme hinter Vater Everard.
    »Sie wird sehr wohl zum Markt gehen!«
    Blitzschnell fuhr der Geistliche herum.
    Es war Walther, der den Wortwechsel mit angehört hatte. »Ich bin ihr Gemahl, und das ist mein Haus«, brauste er auf. »Ich allein entscheide, was die Frauen unter meinem Dach zu tun und zu lassen haben.«
    Nach diesen Worten war es um die Geduld des Priesters geschehen. Zornig funkelte er seinen einstigen Ziehsohn an. »Du widersprichst mir? Das ist unerhört. Während ich mich um das Seelenheil deines Weibes sorge, lässt du diese Liederlichkeiten auch noch durchgehen?«
    »Runa ist mir ein gutes Weib. Sie ist folgsam und züchtig, und darum gestatte ich ihr, den Markt in Begleitung einer Magd zu besuchen«, gab Walther mit fester Stimme zurück. Er wusste ebenso wie Runa, dass diese Beschreibung nicht ganz treffend war, doch das war in diesem Moment unwichtig. Seit Tagen schon war seine Wut auf den einstigen Ziehvater immer weiter gewachsen, vor allem, nachdem Runa ihm von der Züchtigung seiner Tochter in der Küche berichtet hatte. Jetzt entlud sich sein Zorn und machte einem so tiefen Hass Platz, dass er sich nicht länger beherrschen konnte. In diesem Moment, hier in der Diele seines Hauses, ging es schon

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