Tochter des Ratsherrn
es nun an Johannes, seinen Teil zu vollbringen. Wie immer tat er nur das, was Heseke ihm auftrug – schließlich war sie es gewesen, die den Plan erdacht und alle um sich herum zu Spielfiguren gemacht hatte.
Während Luburgis mit Bodo auf Thiderich aufpasste, Johannes als Johanna weiterhin jeden Schritt ihrer Feinde ausspionierte und ihr Gemahl durch die Sümpfe ritt, wollte Heseke dafür Sorge tragen, dass der Rat von Thiderichs verbotener Reise nach Plön erfuhr.
Zwar hatte er keine Ahnung, wie seine gewitzte Gemahlin das anstellen wollte, doch er hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass es ihr gelingen würde. Trotzdem war die Ungewissheit eine Qual für ihn. Einen Sack voll Silber hätte er darum gegeben, um mitzuerleben, wie Albert vor allen Ratsherren zur Rede gestellt wurde. Immer wieder hatte er sich an den letzten Tagen seines beschwerlichen Ritts mit dieser Vorstellung den Tag versüßt, doch seine Abwesenheit bei dieser einen Ratssitzung war von äußerster Wichtigkeit, wie ihm Heseke zuvor versichert hatte. Und so hatte er wie immer auf sein Weib gehört und war mit seinen Mannen schon vor der Sitzung in Richtung Norden losgezogen.
Ihr Ziel war die Burg Graf Gerhards II. in Plön. Hier würde man ganz sicher nicht überrascht über seinen unangekündigten Besuch sein, denn die Männer kannten sich bereits seit Jahren. Immer wieder hatte Johannes das verarmte Grafenhaus in der Vergangenheit um Teile seiner Ländereien erleichtert und im Gegenzug dafür erhebliche Summen gezahlt. Der einzige Unterschied war, dass er dazu früher Gerhard I. in Itzehoe aufgesucht hatte, während er heute, nach dessen Tode, bei seinem Sohn Gerhard II. in Plön vorsprach.
Der Erstgeborene war streitsüchtiger und machthungriger als seine beiden Brüder zusammen, und da die Fehden mit zahlreichen Adeligen und die Auseinandersetzungen mit Lübeck wahre Unsummen verschlangen, war der vermögende Johannes vom Berge auf der Burg gern gesehen. Zu seinem Glück war diese Art von Geschäft mit dem Grafenhause auch weiterhin vom Hamburger Rat erlaubt, denn auf genau diese Weise war er bereits zu seinen Lehen in Fuhlsbüttel, Billwerder und Neuengamme gekommen und hatte sich Häuser, Brotschrangen, Wechslerbuden, ein Badehaus und den Barkhof im Jacobi-Kirchspiel angeeignet. Ja, Johannes war bereits ein mächtiger Mann, und obwohl es ihm derzeit wahrlich nicht nach neuen Besitzungen gelüstete, würde er dennoch erwerben, was immer der Graf ihm zusprach. In diesen Zeiten, wo das Land durch die Teilung zerrissen war und deshalb neue Unruhen drohten, war seine Tarnung nahezu perfekt. Der Graf würde ihn mit Wohlwollen begrüßen, ihm seine Zeit und sein Ohr schenken und somit empfänglich sein für die Nachricht, die Johannes ihm eigentlich überbringen wollte.
Als die Sonne am höchsten stand, erreichten die Männer Bornhöved. Hier, an diesem denkwürdigen Ort, wollte Johannes eine kurze Rast einlegen. Es war ihm eine Pflicht, die es immer dann zu erfüllen galt, wenn sein Weg ihn hier vorbeiführte.
Wieder einmal von der Bedeutung des Ortes ergriffen stieg er von seinem Pferd und verscheuchte die Dienerschaft mit einem Handstreich. Er wollte einen Moment für sich haben – nur er und seine geheimen Gedanken.
Andächtig schritt er über die einsame, grasbewachsene Ebene und ließ seinen Blick zu der Erhebung des Königsbergs schweifen, von wo aus König Waldemar einst seine Truppen befehligt hatte. Dann schaute er nach Süden, wo er das Fiendsmoor wusste. Genau hier, zwischen diesen beiden Gemarkungen, war einst der Kampfplatz der sagenhaften Schlacht von Bornhöved gewesen, in der sich das Schicksal seiner Vorfahren entschieden hatte. Am Tage der heiligen Maria Magdalena war es der norddeutschen Fürstenkoalition gelungen, sich endlich von der dänischen Herrschaft zu befreien und somit den Weg zu bereiten für die Ausdehnung und Freiheit der Städte Lübeck und Hamburg. Nichts erinnerte heute noch an das Blutbad vor vierundsechzig Jahren, und dennoch waren seine Vorstellungen so lebendig, als wäre er selbst dabei gewesen.
Zum unzähligsten Male fragte er sich, wie es damals gewesen sein musste, als die Adeligen und ihre Ritter unter Adolf IV. von Schauenburg den Truppen König Waldemars gegenüberstanden. Was fühlte ein Mann, wenn er in die feindlichen Augen von vierzehntausend dänischen Rittern, Fußkämpfern und Bogenschützen sah und wusste, dass auf der anderen Seite des Schlachtfeldes möglicherweise der Tod auf
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