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Tochter des Schweigens

Titel: Tochter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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behutsam mit ihm umgegangen – solange Sie das können, brauchen Sie keine Angst zu haben.«
    »Aber wie erneuert man in sich selber, was man an andere verausgabt?«
    »Wenn ich die Antwort darauf sicher wüßte«, sagte Ninette, »würde ich mich sicherer fühlen. Aber ich denke – nein, ich glaube, daß Verausgaben gleichzeitig Wachsen bedeutet. Die Blüten fallen, um die Frucht reifen zu lassen, und das ist wohl von Anbeginn so gedacht gewesen.« Sie lachte leise und zog ihre Hand zurück. »Es ist spät, und ich werde sentimental. Gehen Sie schlafen, Peter. Sie sind ein beunruhigender Mann.«
    »Darf ich Sie wiedersehn?«
    »Jederzeit. Sie finden mich im Telefonbuch.«
    »Ich denke, ich werde morgen die Villa verlassen.«
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Wenn es nicht um Carlo ginge, würde ich nach Rom zurückgehen. Aber ich habe ihm versprochen, ihm bei diesem Fall zu helfen. Wahrscheinlich werde ich mir ein Zimmer in Siena nehmen.«
    »Das freut mich«, sagte Ninette Lachaise einfach. »Es gibt auch mir ein bißchen Hoffnung.«
    Sie küßte ihn flüchtig auf die Lippen, doch als er sie an sich ziehen wollte, schob sie ihn sanft von sich.
    »Geh nach Haus, Peter. Und träume süß.«
    Er sah ihrem zerbeulten Auto lange nach, als es den Hügel hinunter polterte, dann wandte er sich ab und trottete zur Villa zurück, wo ein schläfriger Torhüter ihm verdrossen gute Nacht wünschte.
    Er schlief schlecht und packte am nächsten Morgen gleich nach dem Bad seine Sachen. Dann ging er, um am frühen Morgen auf der Terrasse Luft zu schöpfen. Zu seiner Überraschung war Valeria Rienzi schon dort. Aus ihrer Begrüßung klang mehr als Verlegenheit.
    »Schon auf, Peter?«
    »Ich habe schlecht geschlafen. Und es ist ein herrlicher Morgen.«
    Sie verzog kläglich den Mund und sagte:
    »Ich bin froh, daß Sie hier sind. Ich möchte mich für gestern abend entschuldigen. Wir haben uns schrecklich schlecht benommen.«
    Er war nicht in der Stimmung, die Klingen mit ihr zu kreuzen, und zuckte nur mit den Schultern:
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte er. »Das ist Ihr Haus. Sie können sich hier benehmen, wie Sie wollen. Aber ich denke, Carlo hat etwas Besseres verdient.«
    »Ich weiß.« Sie nahm den Tadel ohne Protest hin. »Ich habe ihn sehr verletzt. Ich habe ihm gesagt, daß es mir leid tut.«
    »Dann gibt es ja weiter nichts zu sagen. Alles andere ist Ihre Privatangelegenheit.«
    »Sie sind sehr wütend, nicht wahr?« Ihre Hand hielt die seine auf der steinernen Balustrade fest, und sie lächelte ihn voll Bußfertigkeit und Reue an. »Ich kann es Ihnen nicht verdenken. Aber Carlo hat uns einfach überrumpelt. Es tut mir leid, daß Sie da hineingezogen worden sind.«
    »Ich fühle mich nicht hineingezogen, und ich bin auch nicht wütend. Jetzt nicht. Aber ich denke, es ist besser, wenn ich nach dem Frühstück gehe.«
    Sie machte keinen Versuch, es ihm auszureden, sondern nickte nur. »Carlo hat es mir gesagt. Ich kann es verstehen. Er hat mir auch gesagt, daß Sie versprochen haben, ein paar Tage in Siena zu bleiben. Ich danke Ihnen dafür. Gerade jetzt braucht er einen Freund.«
    »Eine Ehefrau braucht er noch viel mehr.«
    Sie wurde rot, wandte sich ab und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Landon wartete, halb schuldbewußt, halb froh. Nach einer Weile faßte sie sich wieder. Aber ihre Stimme war kühl, und sie sah finster aus, als sie sich ihm zuwandte.
    »Vielleicht habe ich das verdient. Vielleicht haben Sie auch um Carlos willen das Recht, es mir zu sagen. Aber wollen Sie mir einen Gefallen tun?«
    »Was für einen Gefallen?«
    »Im Garten mit mir Spazierengehen. Sich eine Weile mit mir unterhalten.«
    »Selbstverständlich.«
    »Danke.«
    Sie nahm seine Hand und führte ihn die breiten Steinstufen zu den Gartenwegen hinunter, die sich zwischen Pinien, Rosenbüschen und umrankten Pergolas allmählich den Hügel hinunterwanden. Manchmal war das Haus den Blicken entzogen, als hätten die alten Gärtner Liebespaare vor unwillkommenen Blicken schützen wollen. Doch das Tal war ständig in Sicht. Kein Laut war zu hören, außer dem Summen von Insekten, dem gelegentlichen Zwitschern eines Vogels und dem trockenen Rascheln einer Eidechse zwischen den Blättern.
    »Nachts«, sagte Valeria, »hören wir manchmal Nachtigallen im Garten. Vater und ich gehen dann jedesmal sehr leise ins Freie, um ihnen zu lauschen. Erst fängt eine an, dann fällt eine andere ein und noch eine und noch eine, bis das ganze Tal

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