Tochter des Schweigens
kannst, Valeria. Und ich kann nicht zwei Schlachten auf einmal schlagen.«
»In der hier geht's dir nicht gerade besonders gut, oder, Liebling?«
»Ich tue mein Bestes«, sagte Carlo düster, »und es liegt noch ein weiter Weg vor mir.«
»Alles Gute für deine kleine Jungfrau!«
Sie wandte sich ab und wollte hinter der Menge her aus dem Gerichtssaal gehen, aber Landon vertrat ihr zornig den Weg.
»Hör auf damit, Valeria! Hör auf, dich wie ein Biest zu benehmen. Kein Mann verdient eine Behandlung, wie du sie Carlo gegenüber für richtig hältst.«
»Du solltest höflicher sein, Liebling. Ich kann noch Schlimmeres sagen, wenn ich will.«
Sie gab ihm einen leisen Klaps auf die Wange und ließ ihn rot und ohnmächtig stehen – und noch einmal daran denken, was ihn diese eine Nacht alles kostete. Er ging zum Tisch der Verteidigung, wo Ninette mit Carlo sprach.
»Du siehst müde aus, Carlo. Du mußt mehr auf dich achtgeben.« Rienzi lächelte kläglich.
»Es war eine harte Zeit. Außer Peter habe ich niemanden gehabt. Und Valeria gibt sich die größte Mühe, es mir noch schwerer zu machen.« Er wandte sich an Landon. »Wie wirkt es bis jetzt, Peter?«
»Wie geplant. Ein einleitendes Geplänkel.«
Ein kurzes, jungenhaftes Lächeln erhellte Rienzis angespanntes Gesicht.
»Ich denke, diesen Nachmittag wird es besser. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt. Ich möchte zu meiner Mandantin. Grade jetzt braucht sie Trost und Unterstützung.«
»Wie wäre es, wenn du heute abend bei uns essen würdest?«
Er zögerte, aber Ninette lächelte ihn aufmunternd an.
»Bitte, Carlo. Du schuldest uns endlich mal einen Besuch. Wir warten nachher auf dich, und dann gehen wir zusammen zu mir essen. Da kannst du dich ausruhen und uns vielleicht ein bißchen was vorspielen.«
»Doch, gern. Danke schön.«
Er nahm seine Papiere auf und ging, schleppend und müde, zur Tür, die zu den Zellen führte. Landon und Ninette sahen ihm nach, gerührt von soviel Ausdauer und gutem Willen. Ninette platzte heraus: »Valeria ist ein Ungeheuer! Wenn sie ihn auf eine Weise nicht kleinkriegen kann, probiert sie es auf eine andere. Was hast du ihr gesagt, Peter?«
»Daß sie ein Biest ist und Carlo gefälligst in Ruhe lassen soll.«
»Du hast keine Angst vor ihr, Peter? Oder?«
Die Frage überraschte ihn, und einen Augenblick wußte er nicht, was er darauf antworten sollte. Zu seiner Verwunderung lachte Ninette leise. »Laß dich nie von einer Frau erpressen, nicht einmal von mir. Ich liebe dich, chéri. Und ich kann auch kämpfen um das, was ich will! Komm! Laß uns was essen gehen.«
Der Vorraum war fast leer, aber Doktor Ascolini wartete in der Nähe der Ausgangstür auf sie. Er nahm Ninettes Arm und sagte mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete: »Sie essen beide mit mir bei Luca. Ich muß mit Ihnen reden.«
Auf dem Weg durch die belebten engen Straßen hatten sie kaum Gelegenheit zu sprechen. Doch sobald sie in dem barocken Luxuslokal Platz genommen hatten, fragte Ascolini Landon:
»Nun, mein Freund, was halten Sie von Carlos Chancen?«
»Es ist zu früh, etwas darüber zu sagen.«
»Und Ninette?«
»Offen gestanden, dottore, ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich kann nicht glauben, daß er so unfähig ist, wie er bis jetzt gewirkt hat. Jedenfalls hat er keinen Eindruck auf mich gemacht, und ich glaube, auf die Richter auch nicht.«
Der alte Herr lachte leise und zufrieden vor sich hin.
»Jetzt geben Sie wohl selber zu, daß es klug von mir gewesen sein könnte, ihm von diesem Fall abzuraten?«
Ninette Lachaise schüttelte den Kopf.
»Nicht ganz. Selbst wenn er verliert, und Peter glaubt, daß er verlieren wird, dann hat er doch seine Kraft ausprobiert. Auf jeden Fall kann er davon nur profitieren.«
»Selbst wenn er damit seine Karriere vernichtet?«
»Eine Karriere ist nicht so wichtig wie Selbstachtung, dottore. Das wissen Sie auch.«
»Treffer!« sagte Ascolini überrascht. »Mit dieser Frau haben Sie eine großartige Eroberung gemacht, Landon. Und jetzt will ich Ihnen beiden mal etwas sagen, was Sie überraschen wird.«
Er wartete einen Augenblick und weidete sich dabei an ihrer Verblüffung.
»Sie, mein lieber Landon, sind an das Feuerwerk vor britischen Gerichten gewöhnt. Sie denken etwa an ein Duell zwischen Ankläger und Verteidiger. Und so entgeht Ihnen die Strategie, die unser System erfordert.« Er nippte an seinem Glas und trocknete sich mit einem seidenen Taschentuch die Lippen.
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