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Tochter des Schweigens

Titel: Tochter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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tatsächlich schon verkauft.« Er lachte jungenhaft: »Das war nämlich ein kostspieliges Unternehmen für mich.«
    »Es wird sich hundertfach bezahlt machen«, sagte Ascolini herzlich. »Du wirst mir eben eine andere Uhr kaufen.«
    Rienzi wandte sich an Ninette und Landon:
    »Ich schulde dir eine Menge, Peter – und dir auch, Ninette. Ihr seid geduldiger gewesen, als ich – als irgend jemand von uns es verdient hat.«
    Landon sagte leise: »Laß uns das für später aufheben, Carlo. Ich habe da auch noch was dazu zu sagen.«
    Es entstand eine verlegene kleine Pause, doch noch ehe sie überbrückt werden mußte, kam Professor Galuzzi von den Zellen her auf sie zu. Rienzi fragte besorgt:
    »Wie geht es Anna, Professor?«
    »Besser, als ich erwartet habe. Ich habe ihr ein leichtes Sedativ und ein Nervenberuhigungsmittel gegeben. Sie wird den Schluß ohne Schwierigkeiten durchstehen. Ich würde es begrüßen, wenn Sie in ein paar Minuten einmal in die Zelle kommen könnten. Sie haben übrigens ein bemerkenswertes Plädoyer gehalten, junger Mann. Es hat mich tief bewegt.«
    »Sind Sie einverstanden damit, Professor?«
    »Im wesentlichen – ja. Die Definition des Begriffs der kriminellen Verantwortlichkeit ist eines der großen Probleme der Gerichtsmedizin. Ihr Verhör von Herrn Landon hat das mit großer Deutlichkeit herausgestellt. Wenn Sie gestatten, mochte ich gern in einer meiner Arbeiten für die Fachpresse einige Passagen auszugsweise zitieren.«
    »Das ist ein großes Kompliment, Professor.«
    »Durchaus nicht. Sie haben uns allen einen großen Dienst erwiesen.«
    Rienzi zögerte einen Augenblick und fragte dann:
    »Sie werden natürlich gebeten werden, einen Bericht und Behandlungsvorschläge über diesen Fall zu machen. Würden Sie mir die Frage gestatten, was Sie empfehlen werden?«
    »Gern«, sagte Galuzzi liebenswürdig. »Ich werde eine Einweisung in eine unserer modernen psychiatrischen Anstalten empfehlen, wo die Patienten möglichst viel Freiheit, Bequemlichkeit und die Möglichkeit konstruktiver Beschäftigung haben; und zwar für einen Zeitraum, der so kurz wie möglich ist. Darüber hinaus werde ich regelmäßige Beobachtung, Analyse und eine geeignete Therapie empfehlen.«
    »Werden Sie das auch tun, wenn unser Antrag abgelehnt wird?«
    »Gewiß. Selbstverständlich bleibt die Entscheidung darüber dem Gericht überlassen.«
    »Daß weiß ich natürlich. Ich bin überzeugt, Sie verstehen, daß ich an der Zukunft dieses Mädchens persönlichen Anteil nehme.«
    »Ich werde Sie gern über ihre Fortschritte auf dem laufenden halten. Wollen Sie mich jetzt bitte entschuldigen. Ich werde wohl jeden Augenblick zur Konsultation hineingebeten werden.«
    Er verabschiedete sich mit einer förmlichen kleinen Verbeugung. Rienzi sah ihm voller Besorgnis nach. Valeria beobachtete ihren Mann, sagte aber nichts. Ascolini erklärte ruhig:
    »Jedem das Seine, mein Junge. Deine Mandantin ist bei ihm in guten Händen.«
    »Ich weiß«, sagte Carlo düster. »Ich weiß.«
    Valeria mischte sich mit leicht gereizter Stimme ein:
    »Wie lange wird das noch dauern? Wir können doch nicht den ganzen Vormittag hier 'rumstehen!«
    »Die Beratungen werden eine Weile dauern, denke ich«, sagte Carlo. »Warum geht Ihr nicht alle eine Tasse Kaffee trinken? Wenn ihr mir sagt; wo ihr seid, schicke ich einen Gerichtsdiener, sobald es soweit ist.«
    »Warum kommst du nicht mit, Carlo?«
    »Ich möchte lieber hier warten. Ich möchte mit Anna reden. Es wird nur wenig Zeit dafür sein – danach.«
    »Gib uns Nachricht ins Café Angelo«, sagte Ascolini munter. »Es ist das nächste. Da gehen wir hin. Und reg dich nicht mehr auf, mein Junge. Es ist ja bald vorüber.«
    Als sie gingen, sagte Valeria seltsam mitleidsvoll:
    »Er wird sich einsam fühlen ohne seine kleine Jungfrau.«
    »Er ist so lange einsam gewesen«, sagte Ascolini rau, »daß er wahrscheinlich daran gewöhnt ist. Du bist töricht, Valeria. Er hat seine Krise überstanden – dir steht deine noch bevor.«
    Ninette sagte taktvoll:
    »Lassen Sie uns nicht nervös werden, dottore. Wir müssen alle Geduld miteinander haben. Warum macht ihr beiden Männer nicht einen kleinen Spaziergang und trefft uns später im Angelo?«
    Landon schloß sich dem Vorschlag dankbar an.
    »Lassen Sie uns das tun, dottore. Ich könnte gut etwas Stärkeres als Kaffee vertragen.«
    Valeria und Ninette gingen, und die beiden Männer schlenderten langsam um den sonnigen Gerichtsplatz herum.

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