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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Matsuo. Auch in Isaos Namen. Wir werden das Dokument immer in Ehren halten.«
    Â»Nichts zu danken, Kind!« Onkel Matsuos Lächeln zeigte, dass er mächtig stolz auf sie war. Ich verstand ihn gut  – mir ging es ja ebenso. Ich hatte mir nie eine bescheidene Frau
in unauffälliger Kleidung gewünscht, auch nicht eine, die so knallhart in Prestige vernarrt war wie Tanja, sondern eine, die sanft und stolz und widerstandsfähig klug war, die einen loyalen Geist hatte und ein warmes, mitfühlendes Herz. Ich war glücklich, so glücklich, dass die Begriffe »real und irreal« plötzlich keine Bedeutung mehr für mich hatten.
    Â»Doch zunächst«, sagte Onkel Matsuo, »wollen wir zu Mittag essen. Ihr habt sicher Hunger, und Hatsue ist ganz begierig, euch ihre Kochkünste vorzuführen.«
    Â»Oh, damit muss es heute nicht so weit her sein!«
    Hatsue verzog das Gesicht. »Ich habe den Miezen Unagi gegeben, aber sie wollen nicht fressen.«
    Â»Dann tätest du gut daran, zum Katzenschrein zu pilgern«, meinte Matsuo scherzhaft.
    Â»Gibt es hier denn einen Katzenschrein?«, fragte ich belustigt.
    Die Antwort kam von Hatsue, die mit einem Tablett voller Schalen und Schüsseln aus der Küche schlurfte.
    Â»Ja, auf dem Hügel. Da wohnt die Katzengöttin, die unsere Insel beschützt. Es gibt eine Legende: Vor langer Zeit besaß ein Fischer eine Katze, die er sehr liebte. Sie fuhr mit ihm zur See und saß immer neben ihm, wenn er auf dem Markt seinen Fang verkaufte. Doch eines Tages bebte die Erde, und die Katze wurde von einem Steinblock erschlagen. Der Besitzer beweinte seine Katze sehr und gab seine Ersparnisse hin, damit ein Schrein ihr zu Ehren gebaut wurde. Und im Laufe der Zeit, na ja, wie es so ist, erzählte man sich wundersame Dinge, nämlich dass die Katze in Gestalt einer schönen Frau den Hain bewohnte.«
    Â»Tatsächlich«, sagte Matsuo, ȟbt der Ort eine große Anziehungskraft auf die Katzen aus. Sie ziehen sich gerne in den Wald zurück. Ich vermute«, setzte er augenzwinkernd hinzu, »weil es dort im Sommer schön schattig und ruhig ist. Ich
halte ja auch meinen Mittagschlaf am liebsten draußen im Grünen.«
    Inzwischen hatte Hatsue eine Menge dampfender Gerichte gebracht, die alle verlockend dufteten. Matsuo beugte sich vor und hob den Deckel einer Schüssel.
    Â» Kabayaki   – gegrillter Aal! Wir werden nicht jünger, aber wenn ich Unagi esse, fühle ich mich wieder wie zwanzig! Aal ist besonders kräftigend und gibt Appetit. Eigentlich isst man Aale im Sommer, aber in der Ortschaft Hamamatsu werden Aale gezüchtet, sodass man sie das ganze Jahr über genießen kann.«
    Ich bat, die Toilette aufsuchen zu dürfen, und versäumte nicht, die Pantoffeln zu wechseln, bevor ich in den kleinen, wohlgepflegten Raum trat. In Japan müssen die Toiletten stets reinlich sein, weil in jeder Toilette eine Gottheit wohnt, die Schmutz verabscheut. Nun, dachte ich, das sollten sich andere Bewohner unserer bunten, vielfältigen Welt mal hinter die Ohren schreiben …
    Ich wusch mir die Hände mit einer Seife, die nach Lilien duftete, und stieg aus den Toilettenslippern aus grünem Plastik wieder in die üblichen Hauspantoffeln. Als ich am Eingang vorbeiging, fiel mir die Visitenkarte ein, die ich Matsuo noch nicht überreicht hatte. Japaner sind Prinzipienreiter. Ich tastete nach meiner Brieftasche, fand sie nicht, suchte und wühlte mit zunehmendem Schrecken und vergeblich in sämtlichen Taschen. Verstört ging ich ins Wohnzimmer zurück.
    Â»Meine Brieftasche ist weg! Und alles steckte drin, Ausweis, Pass, Versicherung, Bankkarte, einfach alles …«
    Mia starrte mich erschrocken an.
    Â»Aber du hattest sie ja noch auf dem Schiff!«
    Â»Taschendiebe gibt es in dieser Gegend nicht«, sagte Matsuo mit Entschiedenheit. »Wann haben Sie die Brieftasche zum letzten Mal in der Hand gehabt? Auf dem Schiff?«

    Ich wandte mich an Mia.
    Â»Ich habe unsere Kaffees bezahlt, erinnerst du dich?«
    Â»Ja, ja!«, rief sie. »Dann hast du die Brieftasche wahrscheinlich in der Bar liegen lassen.«
    Matsuo griff zu seinem Handy, in dem er eine ganze Nummernliste gespeichert hatte. Binnen kürzester Zeit war er mit der Michinoku-Maru verbunden. Während er mit einem Mitglied der Besatzung sprach, sah er mich an und nickte mir mehrmals beruhigend

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