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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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machte. Sie hatten weiches, schön gepflegtes Fell, und Augen, die gebieterisch schimmerten. Beide sprangen geschmeidig hoch, wie Katzen das tun, drückten mit dem Köpfchen gegen meine Handfläche. Der Druck war nicht subtil, sondern ausgesprochen fordernd.
    Â»Oh, sie scheinen dich aber zu mögen!«, rief Hatsue freudig. Ob sie mich wirklich mochten? Mir fielen ihre extrem geweiteten Pupillen auf, als sie wie besessen an der Tür hochsprangen. Ich griff nach meiner Daunenjacke und machte die Tür auf. Ein kalter Luftzug erfasste mich. Ich ließ mit einer scherzhaften Verbeugung den Katzen den Vortritt.

    Â»Dozo! Bitte schön!«
    Die beiden Katzen traten erregt an die Schwelle, spitzten die Ohren und starrten nach vorne. Dann krümmten sie den Rücken und drehten sich mit gesträubtem Fell seitwärts. Ihre Augen kehrten erwartungsvoll zu den anderen zurück. Doch keiner  – außer mir  – kümmerte sich um die beiden. Onkel Matsuo unterhielt sich mit Mia, und Hatsue hatte frischen Tee aufgegossen. Die Katzen maunzten enttäuscht, fast böse, und krochen beleidigt wieder unter die Bank.

32. Kapitel
    I ch streifte meine Wollhandschuhe über. Die Temperatur war wirklich stark gesunken. War das eine Kälte! Unwillkürlich schweifte mein Blick durch den Wohnraum, den ich im Begriff war zu verlassen. Das altmodische, gepflegte Zimmer, die Täfelung über den Türen, glatt und glänzend, die vergilbten Tatamimatten, die tiefen Bücherbretter mit den vielen zerlesenen Zeitschriften unter den Fenstern, und hinter den Scheiben, jenseits der Veranda, die Kirschbäume, die erst im April blühen würden. Ich sah die beiden alten Leute, ihre heiteren gebräunten Gesichter, und Mia  – meine Frau  – mit ihrem schönen kastanienbraunen Haar, das im Licht schimmerte, ich sah auch  – weil ich sie gut kannte  –, wie sie ihre Neugier und Vorfreude taktvoll zurückhielt, während Onkel Matsuo, die Zigarette zwischen zwei Fingern, sie mit einem seiner Monologe beehrte, die respektvoll angehört werden mussten. Und später würde ich mich daran erinnern, dass mich in diesem Augenblick eine ganz merkwürdige Stimmung befiel. Meine Haut prickelte. Mir war, als sähe ich ein Bild, das nur für eine Sekunde noch bestand und mit jedem Schlag meines Herzens zum Verblassen und Verschwinden verurteilt war. Aber noch während ich die Augen abwandte und ziemlich verwirrt aus dem Haus trat, nahm ein merkwürdiges Geräusch meine Aufmerksamkeit gefangen. Die Geräusche kamen mit dem Wind, sie hörten sich schrill und misstönend an. Ich hatte diese Geräusche schon früher gehört.
Aber wo nur, wo? In der Wirklichkeit oder im Traum? Es war wieder dieser wild gewordene Cellist, der wie verrückt über die Saiten kratzte. Und auf einmal wurde mir klar, dass es die Katzen waren, die so entsetzlich schrien und maunzten. Jede Katze stieß ihren Schrei auf ihre Weise aus, und doch vereinten sich diese verschiedenen Töne zu einer Schwingung, welche die ganze Insel zu erfassen schien. Plötzlich sah ich eine dieser Katzen  – nur ein paar Schritte von mir entfernt  – unter einer Hecke hervorbrechen, sie trug ihr Katzenkind mit den Lippen bei der Nackenhaut und lief, den Rücken schnurgerade, wie eilige Tiere das tun. Und an der Wegbiegung sah ich eine andere Katze, die ebenfalls ihr Kleines trug und in die gleiche Richtung lief. Andere Katzen huschten durch die Gärten, mir fiel auf, dass alle landeinwärts liefen, auf die waldige Anhöhe zu, wo  – wie Hatsue erzählt hatte  – der Katzenschrein stand. Die Inselbewohner schien das bizarre Verhalten ihrer aufgestörten Katzen offenbar sehr zu beunruhigen. Sie waren aus ihren Häusern getreten, standen in kleinen erregten Gruppen auf den Straßen oder in ihren Vorgärten. Ich entsann mich, wie sonderbar sich Mokka und Praline benommen hatten. Und plötzlich kam mir der erleuchtende Gedanke: Sie waren hin- und hergerissen, wollten ganz dringend ihre Haut retten, gleichzeitig aber auch die Menschen vor einer drohenden Gefahr warnen. Und sofort kam mir der Gedanke absurd vor. Katzen denken nicht wie wir und haben auch kein Verantwortungsgefühl. Oder sollte das doch nicht stimmen? Oft hatte mir Mafalda etwas klarmachen wollen, und ich hatte sie beim besten Willen nicht

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