Tod am Kanal
dauern.« Erneut
hörte er seinem unsichtbaren Gesprächspartner zu.
»Nein«, sagte er schließlich mit Entschiedenheit in
der Stimme. »Im Augenblick leite ich den Einsatz hier vor Ort. Die
Spurensicherung aus Flensburg ist unterwegs. Ebenso der Staatsanwalt. Bei
diesem Nebel wird es eine Weile dauern, bis Dr. Breckwoldt hier ist.«
Wiederum kam ein unverständliches Rauschen und Knarzen
aus dem Gerät.
»Ich kann nichts für die schlechte Qualität. Es ist
nicht meine Schuld, wenn wir immer noch analog funken müssen. Und was heißt
hier Frage der Zuständigkeit? Das Opfer ist nördlich der Eider überfahren
worden. Das ist Nordfriesland. Dann hat der Zug es nach Dithmarschen
mitgeschleift. Es ist doch müßig, darüber zu streiten, ob Heide oder Husum
zuständig ist. Oder ob die Mordkommission aus Flensburg oder Itzehoe kommt.«
Erneut sprach der andere.
»Von mir aus«, schimpfte der Polizeirat. »Vergessen
Sie nicht, dass für Bahnanlagen die Bundespolizei zuständig ist.« Er wurde kurz
unterbrochen. »Na prima. Dann kommen die auch noch. Und was soll ich jetzt
machen? Die Feuerwehr aus Friedrichstadt wieder nach Hause schicken, nur weil
die vom anderen Eiderufer kommen soll? Und der Notarzt ist auch verkehrt. Er
darf keine Erste Hilfe leisten, weil er aus Tönning angereist ist. Ende!«
Christiansen schüttelte wütend den Kopf. »So ein
Blödsinn. Wir haben hier ein Riesenproblem, und die streiten sich um die
Kompetenz. Das ist schlimmer als zu Zeiten der Kleinstaaterei. Sollen sich
jetzt die Nordfriesen und die Dithmarscher um die Leichenteile prügeln?«
Er drehte sich wortlos um und ging auf eine Gruppe von
Einsatzkräften zu, um dort weitere Anweisungen zu erteilen.
»Der ist ja mächtig in Fahrt«, sagte der Einsatzleiter
der Feuerwehr.
»Das ist die harte Schule unseres Chefs«, antwortete
Christoph, und seine Gedanken schweiften kurz zu Grothe ab, der morgen seinen
letzten Tag im Amt hatte. Der Polizeidirektor war Dithmarscher und ein
herausragendes Beispiel dafür, dass die ewige Konkurrenz zwischen den beiden
Regionen an der Westküste nur am Stammtisch existierte.
Aus dem Nebel war ein vertrautes Niesen zu hören.
Christoph drehte sich um, und es gelang ihm, Hauptkommissar Jürgensen mit einem
Lächeln zu empfangen.
»Moin, Klaus. Es gab hier schon hitzige Diskussionen,
welche Spurensicherung zuständig ist. Die Kollegen aus dem Süden waren aber der
Meinung, bei den besonderen Umständen des Falles könntet nur ihr hier tätig
werden. Hier gibt es alles, was du liebst. Blut, Grauen, Schmutz, Nebel, Kälte.
Habe ich etwas vergessen?«
Jürgensen hustete seine Stimmbänder frei. »Warst du
beim Großen Jäger in der Schulung?«, fragte er. »Früher hast du nicht so
gesprochen. Mich wundert, dass es bei euch sogar schon Eisenbahnen gibt. Und
die Polizei – die haben ja Uniformen an. Ich war der festen Überzeugung, die
Nordfriesen würden noch alle mit Wikingerhelm herumhüpfen.« Er blinzelte in
Richtung der Lokomotive. »Wer ist für diesen Schweinkram verantwortlich?«
»Mit Sicherheit ein Zugereister«, antwortete
Christoph.
»Dann wollen wir mal.« Jürgensen winkte seine Männer
heran. Anschließend ließ er sich mit ernster Miene von Christoph erklären, an
welchen Stellen sie etwas gefunden hatten.
Irgendwer hatte heißen Kaffee besorgt. Dankbar nahmen
Christoph und Mommsen das Angebot an. Im Augenblick gab es für sie nichts
weiter zu tun. Zunächst war der Erkennungsdienst mit der Aufnahme der Spuren
beschäftigt. Eine Weile später trafen weitere Einsatzkräfte am Unfallort ein.
Christoph begrüßte seinen Kollegen von der Kripo in Heide, der ihm berichtete,
dass die Mordkommission aus Itzehoe im Anmarsch sei. Das konnte Oberstaatsanwalt
Dr. Breckwoldt aus Flensburg nicht verstehen, während Polizeirat Christiansen
bemüht war, die zahlreichen Einsatzkräfte zu koordinieren.
Trotz des Kompetenzgerangels ging es irgendwie voran.
Die Fahrgäste wurden evakuiert und mit Bussen zum nächsten Bahnhof gebracht,
während sich am Bahndamm die ersten Schaulustigen einstellten. Die Dämmerung
war bereits hereingebrochen, als das Team der Itzehoer
Bezirkskriminalinspektion eintraf und die Untersuchung des Falles übernehmen
wollte. Christoph überließ es dem Oberstaatsanwalt und Christiansen, sich mit
den Kollegen über die Zuständigkeit auseinanderzusetzen.
Der Nebel begann sich langsam zu lichten. Wortkarg
gingen die Beamten der Spurensicherung ihrer Tätigkeit nach.
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