Tod am Kanal
Ihrem Sohn.«
Er hatte den Hauseingang erreicht und stellte seine
Last ab.
»Ich kann es nicht lassen. Vielleicht erklären Sie
mich für verrückt, aber einmal Krämer – immer Krämer. Für mich ist es ein Spaß,
nach alter Väter Sitte einzukaufen. Ich könnte in jedem Supermarkt stundenlang
stöbern.« Er holte tief Luft. »Natürlich wär es einfacher, mit dem Wagen zu
fahren. Aber so …« Er hob die Griffe der beiden Taschen kurz an. »So macht es
einfach mehr Bock.« Dann schloss er die Tür auf und bat die beiden Beamten ins
Haus. »Geht das noch?«, fragte er. »Oder isses draußen schon zu kalt? Muss ja
nicht sein, dass wir uns den Mors abfrieren.«
»Wir nehmen gern im Haus Platz«, antwortete Christoph,
bevor Große Jäger mögliche andere Wünsche äußern konnte.
»Gehn Sie schon mal zu. Sie kenn’ sich hier ja aus.
Ich bring nur schnell meine Sachen weg.« Er war mit seinem Einkauf schon fast
in der Küche verschwunden, als ihm noch etwas einfiel. »Ach ja! Möchten Sie
‘nen Weizen?«
Diesmal war der Oberkommissar schneller. Christoph
konnte nur noch hinzufügen: »Für mich bitte nicht.«
Aus der Küche hörten sie Geräusche, aus denen zu
schließen war, dass Harms die empfindlichen Lebensmittel in den Kühlschrank räumte.
Kurz darauf erschien er mit zwei Flaschen und zwei Gläsern. Er musterte den
Oberkommissar und nickte dann freundlich. »Sie sehn so aus, als könnten Sie
das.« Dabei hielt er Große Jäger Glas und Flasche hin, damit der sich das
Getränk selbst einschenken konnte.
»Was ‘n los? Womit kann ich dienen?«
»Wir hätten gern Ihren Sohn gesprochen.«
Harms wischte sich mit dem Handrücken den Schaum von
der Oberlippe. »Ehrlich?« Es war eine rhetorische Frage, deshalb verzichtete
Christoph auf eine Erwiderung.
»Tja. Also … Der ist im Moment unterwegs.«
»Sie können ihn sicher über Handy erreichen und
bitten, nach Hause zu kommen.«
Harms musterte Christoph lange. »«Ich glaub, er hat
sein Handy nicht mit.«
»Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
»Klar.«
»Dann können Sie ihn vielleicht übers Festnetz
erreichen.«
Harms kratzte sich den Hinterkopf. »Das ist nicht so
einfach. Um was geht es denn?«
»Das würden wir Ihren Sohn gern selbst fragen.«
»Das ist ‘nen bisschen schwierig, wissen Sie. Hat das
nicht noch Zeit?«
»Nein. Es drängt. Wir haben jetzt ein paar
Fragen.«
»Tut mir leid. Dann kann ich Ihnen nicht helfen. Ich
kann schließlich nicht zaubern.«
Es schien, als wäre die Freundlichkeit, die Jans Vater
sonst prägte, urplötzlich von ihm abgefallen.
»Melden Sie sich bitte sofort, wenn Ihr Sohn wieder
aufgetaucht ist«, bat Christoph zum Abschluss.
Harms nickte nur.
»Merkwürdig«, dachte Große Jäger laut nach, als sie
wieder im Auto saßen. »Warum unterbindet der Mann den Kontakt zu Jan?«
»Wir haben ihn bisher nur von seiner verbindlichen
Seite kennengelernt. Er ist uns gegenüber stets jovial aufgetreten. Ob er
selbst nicht weiß, wo sein Sohn steckt, und das nicht zugeben will? Schließlich
hat der junge Harms heute auch die Schule versäumt.«
»Beschleicht dich auch ein ungutes Gefühl?«, fragte
Große Jäger. »Schließlich wissen wir immer noch nicht, wer der Tote von der
Eisenbahnbrücke ist. Aber welchen Grund könnte es geben, Jan Harms zu
ermorden?«
»Auf diese Frage weiß ich im Augenblick auch keine
Antwort. Wir machen jetzt …«
»Du musst nicht ausreden«, sagte der Oberkommissar und
ging noch einmal zum Haus zurück. Vom Auto aus sah Christoph, wie Große Jäger
mit Wilken Harms diskutierte. Schließlich verschwanden beide im Gebäude. Nach
einer Weile kehrte Große Jäger zurück.
»Ich habe die Zahnbürste des Jungen«, erklärte er.
»Damit können wir einen DNA -Abgleich
durchführen.«
Christoph startete den Motor und steuerte die
Polizeistation von St. Peter-Ording an. Sie wurden von Oberkommissar Dettinger
begrüßt.
»Moin, Stefan. Alles in trockenen Tüchern?« Große
Jäger ließ sich im kleinen Dienstzimmer nieder. »Kennst du die Familien Harms
und von der Hardt?«
Der Chef der örtlichen Polizei, ein drahtiger Mann mit
naturkrausen Haaren, in denen sich die ersten grauen Strähnen zeigten, schmunzelte.
»Ihr von der Kripo habt manchmal seltsame Vorstellungen von unserer Arbeit.
Glaubt ihr, wir würden den lieben langen Tag spazieren gehen und mit jedem
Einwohner unseres Bezirks ein paar freundliche Worte wechseln?« Bevor Große
Jäger antworten konnte, fuhr Dettinger fort:
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