Tod am Laacher See
seinen Vater, der vor langer Zeit
Fischhändler auf dem Hamburger Markt gewesen war. So ein Marktschreier, der auf
alle Zurufe immer spontan eine witzige Erwiderung parat gehabt hatte. Davon
hatte auch er als sein Sohn noch etwas im Blut. Er lächelte bei dem Gedanken an
seinen alten Herrn. Dann schlief er ein.
Als Hofmann etwa eine Stunde später von starkem Harndrang
geweckt wurde, bekam er einen heftigen Hustenanfall. Einen Augenblick lang
schien es ihm fast, als würde er gar keine Luft mehr bekommen. Er war noch ganz
benommen von Schlaf und Alkohol, und ihm fehlte zunächst auch jegliche Orientierung.
Während er noch hustete, besann er sich auf die Umstände des vorangegangenen
Tages und realisierte, dass er sich im Wohnwagen seines Freundes Baldrup
befand, der im vorderen Bett schlief. Aber was war das für ein scharfer,
beißender Geruch, der ihm so sehr den Atem nahm? Selbst als sein Husten
nachließ, blieb das Luftholen weiter mühsam und fast schmerzhaft. Dieser Geruch
kam ihm auch irgendwie bekannt vor. Mühsam richtete Hofmann sich auf und setzte
sich auf die Bettkante. Er bemerkte, dass seine Kleidung auf der rechten
Körperseite, auf der er gelegen hatte, ganz durchfeuchtet war, und roch an
seinem rechten Pulloverärmel. Der stank ebenfalls nach diesem scharfen Zeug.
Genau wie seine Hose. Das ganze Polster, auf das er sich gelegt hatte, ohne vorher
ein Laken darüber auszubreiten, war feucht davon. Während Hofmann eine leichte
Übelkeit überkam, merkte er, dass nun auch seine Socken und seine Füße, die er
auf dem Wohnwagenboden aufgesetzt hatte, auf der Unterseite nass wurden.
»So ein blöder Mist«, entfuhr es ihm. Er griff nach seiner Brille,
setzte sie auf und erhob sich ächzend auf die Beine. Doch nachdem er einen
Moment lang schwankend gestanden hatte, ließ er sich wieder in seine
Sitzposition zurückfallen. Ein weiterer Anfall von Übelkeit machte ihm zu
schaffen. Wenn er das große Kippfenster über seinem Bett, das bislang nur einen
Spalt offen war, weiter öffnen würde und zusätzlich noch das auf Baldrups
Seite, dann konnte der Luftzug diesen Gestank hinausblasen. Wahrscheinlich
würde die Aktion seinen immer noch schnarchenden Kumpel in dessen
alkoholisiertem Zustand nicht einmal wecken. Hofmann folgte also seiner
Eingebung und drehte sich um, um ans Fenster zu gelangen. Da sah er den grünen
fingerdicken Schlauch, der unter dem Gardinenrand hervorschaute. Er erinnerte
ihn an die Zeit, als er ein Aquarium besessen hatte. Die Schläuche dafür hatten
ähnlich ausgesehen. Aber was hatte ein solches Teil hier verloren? Vielleicht
hatte Baldrup den Schlauch angebracht. Aber aus welchem Grund? Das machte doch
keinen Sinn. Hofmann konnte sich keinen Reim darauf machen. Er kniete sich auf
das Polster und zog die Gardine etwas zur Seite. Jetzt konnte er sehen, dass
der Schlauch von außen durch den Fensterspalt bis hinunter zum Polster seines
Bettes reichte. Und er sah, dass eine Flüssigkeit aus der Schlauchöffnung rann.
Hofmann starrte auf den dünnen Strahl, der sich da unablässig
ergoss, und nahm wieder den beißenden Geruch war, der ihn umgab und der ihm das
Atmen so schwer machte. Mit einem Mal wusste er, was es war: Benzin.
In seinem Kopf begann es augenblicklich zu arbeiten. Er verstand
noch immer nicht, was er sah. Aber er spürte die Gefahr. Seine linke Hand
schnellte zur seitlich angebrachten Scheibenverriegelung, um das Fenster weiter
zu öffnen, während die rechte Hand den Schlauch ergriff, um ihn durch die
Öffnung hinauszuwerfen. Da starrten ihn von draußen zwei riesige Augen an.
Hofmann erschrak und wich entsetzt zurück. Den Schlauch hatte er noch immer in
der Hand, und so benetzte er sich selbst, während er über die Matratze
rutschte. Im nächsten Augenblick dämmerte ihm jedoch, was ihn so sehr
erschreckt hatte, und er hielt inne. Da draußen stand kein Monster mit riesigen
Glupschaugen, sondern jemand, der sich eine Taucherbrille übergezogen hatte.
Aber was sollte dieser Unfug? Vor lauter Verwirrung und gepeinigt vom Druck
seiner inzwischen unerträglich schmerzenden Blase, geriet Hofmann in Wut. »Was
soll denn der Scheiß!«, krächzte er los.
Statt eine Antwort zu erhalten, hörte er, wie das Fenster von außen
ein Stück weiter aufgestoßen wurde, gefolgt von einem rauen, schabenden
Geräusch. Hofmanns Gesicht erstarrte zu einer angstverzerrten Fratze, als ein
kleiner brennender Gegenstand von außen auf das Polster fiel. Mit einem leisen
»Buff«
Weitere Kostenlose Bücher