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Tod am Laacher See

Tod am Laacher See

Titel: Tod am Laacher See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Juergen Sittig
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Wärmland den
Türöffner. Er hörte, dass unten die Haustür geöffnet wurde, doch auf sein
»Hallo?« erhielt er keine Antwort. Aber dann sah er schließlich den Mann, der
mit einem Lächeln im Gesicht die Treppe heraufkam.
    »Hey, Brüderchen« waren die ersten Worte, die Wärmland nach fünf
Jahren von seinem älteren Bruder hörte.
    Er stand einen Augenblick still da und starrte Jörg an, ohne zu
antworten. Als er schließlich sprach, hatte sein Ton eine deutliche Schärfe.
    »Was hast du in Schweden gemacht? Knäckebrot gezüchtet?«
    »Willst du mich vielleicht reinlassen?«, fragte Jörg Wärmland, ohne
auf die Frage einzugehen.
    Wärmlands Ton blieb frostig. »Hast du nicht schon Ulli besucht? Was
willst du dann noch von mir?« Er erinnerte sich wieder daran, wie sie gelitten
hatte in den Monaten nach Jörgs Verschwinden. Wie sie geweint hatte, weil sie
nicht wusste, ob er noch am Leben war.
    »Es war wohl ein Fehler herzukommen«, sagte Jörg Wärmland und wandte
sich wieder zur Treppe. Erst als er ein paar Stufen hinabgegangen war,
reagierte Wärmland. Er ging zum Treppenabsatz und rang sich ein heiseres
»Warte« ab.
    Sein Bruder blieb stehen, ohne zurückzuschauen. Wärmland schien es,
als überlege er, wie er reagieren sollte. Dann drehte er sich schließlich
langsam um und schaute zu ihm hoch.
    »Ulli hat dich also angerufen?«
    Wärmland nickte. »Wundert dich das?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich denke, sie würde sich freuen, wenn wir
beide irgendwann mal etwas besser miteinander klarkämen.«
    »Ein begeisternder Gedanke«, antwortete Wärmland mit zynischem
Unterton. »Hast wohl in Stockholm ein Semester Schamanismus belegt und kannst
jetzt mal eben so auf die Schnelle alles klarmachen. Aber wir sollten
reingehen. Und nicht das ganze Haus unterhalten.« Er trat zur Seite und ließ
seinem Bruder den Vortritt. »Geradeaus ins Wohnzimmer«, sagte er, bevor er die
Tür hinter sich zuzog.
    »Deinen Zynismus hast du in den fünf Jahren jedenfalls nicht
verloren«, bemerkte Jörg Wärmland.
    »Warum auch? In meinem Beruf kann ich ihn immer mal wieder
gebrauchen. Und er ist nützlich, wenn man mal überraschend netten Besuch von
verschollenen Verwandten bekommt. Setz dich auf die Couch.«
    Jörg Wärmland nahm zögernd Platz. »Ich weiß nicht, ob wir so
weiterkommen.« Er klang etwas resigniert. »Vielleicht sollte ich doch gehen,
und wir lassen alles, wie es war.«
    Wärmland hatte seinen inneren Aufruhr noch nicht unter Kontrolle.
»Du solltest dich jedenfalls nicht über meinen Zynismus beschweren. Den hab ich
nämlich von dir. Ohne deinen Anschauungsunterricht hätte ich gar keinen Grund
gehabt, ihn mir anzueignen.«
    »Ich habe versucht, es dir zu erklären. Aber du wolltest ja nicht
zuhören«, rechtfertigte sich Jörg.
    »Was gibt es denn wohl zu erklären, wenn man seinem jüngeren Bruder
die erste Freundin ausspannt? Was, Jörg?« Wärmlands scharfer Ton verriet seine
immer noch schwelende Wut über diesen Vorfall, der schon zweiunddreißig Jahre
zurücklag.
    »Das war ein Fehler«, gestand Jörg Wärmland ein. »Aber genau das
hatte ich dir damals schon gesagt. Es tat und tut mir leid. Trotzdem hast du
meine Entschuldigung nie angenommen.«
    »Mit diesem ›Fehler‹, wie du sagst, warst du ein halbes Jahr
zusammen. Erst dann hattest du genug von ihr. Und hast sie wieder fallen
lassen.«
    »Jugendliche sind nun mal so«, begehrte Jörg auf. »Wenn man jung
ist, macht man dumme Sachen. Und das war so eine.«
    »Jugendliche? Du warst dreiundzwanzig!« Wärmlands Ton wurde
heftiger. »Du hattest ständig was mit irgendwelchen Tussen, konntest den Hals
nicht vollkriegen. Und als Krönung musste es natürlich auch noch mein Mädchen
sein.«
    »Dein Mädchen?« Jörg Wärmland lachte auf. »Wenn sie ›dein Mädchen‹
gewesen wäre, hätte sie etwas mehr Rückgrat zeigen können und mich abblitzen
lassen. Aber das hat sie nicht gemacht. Glaubst du, das war ein Zeichen ihrer
großen Liebe für dich?«
    Wärmland nickte und verzog verächtlich den Mund. »Dann war sie also an allem schuld. Na, das ist ja eine feine
Erklärung. Hat dir das junge Ding zu wenig Charakter gezeigt? Wie vielen Frauen
bist du Unschuldslamm denn in Stockholm zum Opfer gefallen? Waren da auch
Sechzehnjährige dabei?«
    Jörg Wärmland hatte einen grimmigen Gesichtsausdruck, als er
unerwartet leise antwortete. »Ich hatte in den vergangenen fünf Jahren nur eine
einzige Beziehung. Und das war nicht in Stockholm. Ich war in

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