Tod am Laacher See
an.
»Die sind gut, finden Sie nicht auch? Pure Frauenpower!« Sie
grinste, und Wärmland lächelte zurück.
Direktorin Schumacher stufte den Fall abschließend als so markant
und einzigartig ein, dass den Ermittlern dadurch sicher besondere
Angriffsstellen geboten würden, was eine Lösung des Falles mehr als
wahrscheinlich mache. Damit setzte sie sich selbst, vor allem aber Wärmland und
Trobisch und ihre Teams mächtig unter Erfolgsdruck. Der Kommentar von Oberrätin
Melchior ließ denn auch nicht lange auf sich warten.
»Da hören Sie es, Herr Wärmland. Wir haben bei diesem Fall die
besten Voraussetzungen. Wir müssen sie nur noch ergreifen und handeln. Wie
viele Tage benötigen Sie dafür?«
Wärmland glaubte, in Melchiors Worten einen Hauch von Ironie zu
bemerken.
»Ich denke, morgen Abend hab ich ihn. So zwischen Abendessen und
Zähneputzen. Wir sollten es aber noch für uns behalten. Vielleicht täusche ich
mich, und es dauert doch bis übermorgen.«
»Damit kann ich leben«, erwiderte Melchior schmunzelnd.
Nachdem Schumacher und Dewald alle Fragen beantwortet hatten, wurde
es im Saal recht laut. Ganz allmählich löste sich die Menge auf. Direktorin
Schumacher bedeutete Wärmland und Trobisch, noch kurz mit ihnen sprechen zu
wollen. Wärmland ahnte schon, worauf das hinauslief. Und tatsächlich
verdeutlichte sie ihren beiden Ermittlungsleitern gegenüber nur noch einmal die
Wichtigkeit des Falles, was Wärmland etwas überflüssig erschien angesichts der
bekannten Sachlage. Sie machte deutlich, dass alles andere als ein baldiger
Ermittlungserfolg nicht akzeptabel war. Dabei wirkte sie ein wenig strenger als
eben bei ihrem Pressevortrag. Wärmland und Trobisch tauschten einen kurzen
Blick. Sie waren sich ganz im Stillen einig, dass es einer zusätzlichen
Ermahnung nicht bedurft hätte. Sie waren sich ihrer Verantwortung völlig
bewusst. Aber Wärmland kannte diese Abläufe schon zur Genüge. Die Politik
machte in solchen Fällen Druck auf die Staatsanwaltschaft, die
Staatsanwaltschaft machte Druck auf die Polizeiführung, und die Polizeiführung
machte Druck auf die ermittelnden Beamten. Das war in Mainz so gewesen, und das
war auch hier so.
Mit einem aufmunternden »Sie werden es schon schaffen!«
verabschiedete sich die Direktorin und verließ den Saal.
Oberrätin Melchior klopfte Wärmland, als dieser mit den anwesenden
Kollegen zur Tür strebte, wohlwollend auf die Schulter.
»Wissen Sie, ich bin froh, dass ich Sie hier in Mayen weiß. Sicher
haben viele Ihren Wechsel als eine Art Abstieg gesehen, was es formal ja auch
ist. Aber ich glaube – nicht ganz uneigennützig natürlich –, dass Sie in
unserer etwas kleineren Welt genau richtig sind. Mal ganz abgesehen davon, dass
es an sich schon richtig war, dass Sie wieder in die Nähe Ihres Jungen gezogen
sind.«
Wärmland war überrascht über ihre Vertraulichkeit. Und sie hatte
noch mehr zu sagen. Dass sie selbst die Möglichkeit gehabt hatte, in
Ludwigshafen weiter aufzusteigen. Und dass sie diese Möglichkeit ebenfalls aus
familiären Gründen nicht wahrgenommen hatte. Wärmland erfuhr, dass sie eine
kranke Mutter in einem Pflegeheim in Andernach hatte. Und dass sie nicht darauf
verzichten konnte, in ihrer Nähe zu sein.
»Meine Mutter hat ihr ganzes Leben in Andernach verbracht. Wenn ich
ihr heute eine große Freude machen will, fahre ich sie mit ihrem Rollstuhl an
den Rhein, und wir schauen gemeinsam den Schiffen zu, die dort vorbeifahren.
Dann ist ihre Welt wieder in Ordnung, und sie ist glücklich. Das ist mir
wichtig. Ich hätte sie aus ihrer gewohnten Umgebung herausreißen können, doch
das hätte ihr die letzte Lebensfreude genommen. Das war es mir nicht wert,
nicht für einen Stern mehr und ein paar Euro zusätzlich. Aber ich will Sie
nicht länger vollschwatzen wie ein Marktweib. Ich will nur sagen: Sie haben das
Richtige getan und sind bei Ihrem Kind geblieben. Dass Sie obendrein ein guter
Ermittler sind, macht mich natürlich besonders froh. Und jetzt husch, husch
nach Hause. Damit Sie morgen frisch sind für die Festnahme.« Sie grinste und
gab Wärmland die Hand.
Der war noch auf dem Weg zum Wagen ziemlich überrascht von Melchiors
persönlicher Offenbarung. Doch was sie gesagt hatte, hatte gutgetan. Es
erinnerte ihn an seinen verstorbenen Kollegen Bartuck. Der hatte ihm kurz vor
seinem Tod auch noch ins Gewissen geredet, nicht alles Persönliche immer wieder
dem Dienst und der Pflicht zu opfern. Wer hätte gedacht, dass
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