Tod am Laacher See
Lappland.«
Wärmland zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Also Knäckebrot und Rentiere«, antwortete er gepresst. Er war zwar
aufgewühlt, fühlte sich aber auch sehr erschöpft. Sein Zorn erlahmte. Er wollte
dem Streit ein Ende machen und suchte nach einem Ausstieg. »Es ist spät. Fährt
denn heute Abend noch eine Regionalbahn zum Polarkreis?«, fragte er müde. Er
wollte nur noch seine Ruhe haben.
»Ich werde nicht mehr zurückgehen«, sagte Jörg Wärmland. »Aber ich
wundere mich, dass du so überrascht warst, als du erfahren hast, dass ich in
Schweden war. Hat Ulli mir gesagt. Unsere Vorfahren stammen aus Schweden. Hast
du das vergessen?«
»Wie könnte ich das vergessen? Ich denke jeden Tag an den
Dreißigjährigen Krieg und daran, dass wir schon viel zu lange keinen Zoff mehr
mit denen hatten.«
Jörg musste schmunzeln. Er stand auf. »Ich zieh dann mal los. Weiß
auch nicht, warum ich bei dir aufgekreuzt bin. War so ein spontaner Impuls. War
wohl zu lange am Polarkreis. Die Leute dort verabreden sich nicht so präzise
wie wir. Und sind auch nicht auf bestimmte Zeiten festgelegt. Wenn es im Sommer
tagsüber regnet und abends wieder aufhört, wandern sie eben nachts. Da ist es
ja dann auch hell.«
»Du willst jetzt zu Ulli, nehme ich an«, meinte Wärmland in der
Hoffnung auf einen einigermaßen friedlichen Abschluss dieser Begegnung.
»Nein. Sie hat gerade eine Freundin bei sich. Die ist wohl von ihrem
Mann geschlagen worden und hat Zuflucht bei ihr gesucht. Ich wollte nicht
stören und hab gedacht, ich schau mal bei dir vorbei. Und jetzt werd ich mir
ein Zimmer suchen.« Er wandte sich in Richtung Flur, blieb aber noch mal
stehen, als er die Wohnzimmertür erreicht hatte. »Hab schon gehört, dass du
einen ziemlich heftigen Fall an den Hacken hast. Viel Erfolg.« Er hob die Hand
zu einem knappen Gruß und ging zur Wohnungstür.
Wärmland fühlte sich irgendwie blockiert und handlungsunfähig. Erst
als sein Bruder schon die Tür geöffnet hatte, fand er wieder ein paar Worte.
»Warte mal! Also, wenn ich mich darauf verlassen kann, dass du nicht kuscheln
willst, kannst du heute Nacht hier bei mir pennen.«
»Hältst du das wirklich für eine gute Idee?«, wollte Jörg Wärmland
wissen.
»Sagen wir, es ist für Ulli. Sie würde die Vorstellung nicht
ertragen, dass du allein und schutzlos durch eine gefährliche Großstadt wie
Mayen irrst. Wie bist du eigentlich hergekommen?«
»Per Anhalter. Und damit Schwesterleins Zorn nicht über dich kommt,
nehme ich dein Angebot mal ganz spontan an.«
Ob das wirklich so spontan ist?, fragte sich Wärmland. Vielleicht
hatte Jörg das ja eingeplant. Schließlich hatte er gewusst, dass Ulli gerade
nicht zur Verfügung stand. Mal abgesehen von der Unmöglichkeit, um diese
Nachtzeit noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen.
Er machte seinem Bruder ein Bett auf der Couch und lag um Viertel
vor zwölf wieder in seinem Bett. Er war sich überhaupt nicht sicher, ob der
letzte Teil dieses Abends richtig verlaufen war. Ob er nicht zu weich reagiert
hatte. Hatte die lange Abwesenheit seines Bruders etwas verändert, etwas von
seinem Ärger ungeschehen gemacht? Wärmland zweifelte jedenfalls an einer
Änderung im Wesen seines Bruders. Oder hatten vielleicht Schwärme
lappländischer Stechmücken den schlechten Teil seines Charakters aufgesogen?
Hatte eine Kollision mit einem Elch ein vorübergehendes Hirntrauma mit
grundlegender Charakteränderung hervorgerufen? Wärmland bezweifelte das.
Als er gegen halb drei noch immer nicht eingeschlafen war, wusste
er, dass es morgen wieder ein mühsamer Tag werden würde.
***
Am Mittwochmorgen um neun Uhr traf sich die Soko »Taucher« im
Koblenzer Präsidium. Sowohl die weiteren Befragungen an der Mosel als auch die
ersten Ermittlungen im Lebensumfeld der Getöteten hatten noch keine
wesentlichen Erkenntnisse gebracht. Auch die Gerichtsmedizin konnte zu den
ersten Befunden keine nennenswerten Ergänzungen machen. Die Spurensicherung
hatte an den Metallbooten vom See einige unterschiedliche Fingerabdrücke
gefunden. Einer davon war in einem sehr fragmentarischen Zustand, was eine
genauere Analyse schwierig machte. Die gut erhaltenen Abdrücke passten zu
keinem der Opfer, einige jedoch zum Campingplatzpächter, dem die Boote
gehörten. Aber da die Boote ständig an immer wieder andere Angler vermietet
wurden, war es nicht sehr wahrscheinlich, dass sie dem Täter gehörten.
Es war die schwierige Anfangsphase, in der es
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