Tod am Laacher See
sein?«
»Etwa fünfzig Kilometer über die Autobahn … da brauch ich eine halbe
Stunde«, antwortete Trobisch.
»Von uns aus ist es nur halb so weit«, meinte Wärmland, »aber fast
nur Landstraße. Da bin ich auch bei einer knappen halben Stunde. Wie wäre es um
halb zwölf?«
»In Ordnung. Also bis gleich.«
Wärmland informierte Melchior und seine Mitarbeiter. Dann brach er
auf. Er entschied sich diesmal für die kleine Nebenstrecke über Mertloch,
Naunheim und Möntenich, die auf den letzten Kilometern auf dem Eifelplateau
sogar nur einspurig war. Im letzten Abschnitt führte sie durch Weinberge
hindurch und hinab nach Müden.
Der Blick von der Anhöhe ins Moseltal bot eine schöne Aussicht. Im
Tal schlängelte sich der schlanke Fluss zu Füßen der Eifel und suchte seinen
Weg zum gar nicht mehr so fernen Rhein. Momente wie dieser flüsterten ihm, dass
er großes Glück hatte, im richtigen Teil Deutschlands zu leben. Es war einfach
schön hier. Selbst wohlbekannte heimische Flecken und Landstriche, die er schon
oft gesehen hatte, überraschten ihn an manchen Tagen mit einer scheinbar neuen
lieblichen, prächtigen oder spektakulären Aufmachung.
Wärmlands Moselblick war leider unschön verbunden mit der sofortigen
Erinnerung an die Nacht vor zwei Tagen. Das da unten war nicht mehr nur der
ruhige, friedliche und romantische Fluss, sondern auch der Fluss, aus dem ein
kaltblütiger Mörder gekommen war, der zwei Menschen erbarmungslos in den Tod
gerissen hatte. Nach einem letzten Blick hinunter auf dieses kleine, aber
höchst wertvolle landschaftliche Geschenk konzentrierte er sich wieder auf die
Straße und die vor ihm liegende Mordermittlung.
Vielleicht hatte der Fischer etwas bemerkt, ohne dem eine größere
Bedeutung zuzumessen. Das kam immer wieder vor. Zeugen waren sich der Bedeutung
ihrer Beobachtungen oft nicht bewusst oder konnten sich nicht vorstellen, dass
ihre eigene kleine Wahrnehmung ein wichtiges kleines Puzzlestück im Gesamtbild
abgeben konnte. Aber dafür sind wir ja da, dachte Wärmland. Wir müssen die
vermeintlich unwichtigen Puzzlestücke richtig ordnen und ein aussagefähiges
Gesamtbild erstellen. Und Wärmland war sehr gespannt darauf, wie viele
Puzzlestücke der Berufsfischer liefern würde.
Die Aalräucherei lag direkt an der Staustufe Müden, allerdings auf
der anderen Uferseite. Wärmland musste auf der B 416 zunächst flussaufwärts in
Richtung Treis-Karden fahren, dann über die Brücke zur B 49 und wieder etwa
zwei Kilometer flussabwärts bis zur Staustufe. Links von ihm lag nun das
Gebäude der Aalräucherei. Man konnte es kaum übersehen, da neben der Zufahrt
nicht nur ein hoher Schiffsmast mit kleinen Wimpeln aufgestellt war, sondern
weil links vor dem Mast ein großes, mindestens zwei Meter langes weißes Schild
mit den Umrissen einer Regenbogenforelle und der Aufschrift »Verkauf«
angebracht war, das von einem noch einmal deutlich größeren, etwa drei Meter
langen Forellenschild mit der Aufschrift »Fischerei« am Gebäude selbst ge-
toppt wurde.
Wärmland parkte seinen Land Rover unmittelbar rechts neben der
Eingangstür. Links vom Eingang stand bereits ein großer grüner Volvo Kombi mit
weißen Lettern auf den hinteren Glasflächen. Die Aufschrift lautete:
»Berufsfischerei Petry – die Adresse für frischen Fisch«. Wärmland blieb im
Wagen sitzen und lauschte weiter seinem Oldiesender. Ein paar Minuten später
fuhr Trobischs roter Porsche auf das Gelände und hielt neben Wärmlands Land
Rover.
»Scheint da zu sein, der Herr Petry«, meinte Wärmland und wies auf
den Kombi.
»Aber vielleicht ist er auch auf der Mosel. Da nimmt er den Wagen ja
sicher nicht mit.«
»Wir werden sehen. Lass uns doch einfach mal klingeln.«
An der Türklingel hing neben dem Namen Petry die Notiz: »Bitte lange
klingeln, da ich vielleicht im hinteren Lagerbereich bin.«
»Keine Sorge, Herr Petry, wir geben nicht so schnell auf«, meinte
Wärmland lakonisch und drückte ein erstes Mal auf den Klingelknopf.
Es rührte sich nichts. Also betätigte er ein zweites Mal den Knopf
und wartete. Wieder geschah nichts.
»Willst du mal drücken?«, meinte er an Trobisch gewandt. »Vielleicht
hab ich die falsche Technik.«
»Ich lob dich ja nicht gern, aber deine Technik sieht okay aus. Lass
uns mal schauen, ob wir außenrum irgendwohin kommen.«
Sie gingen nach links, an Petrys Firmenwagen vorbei. Wärmland kramte
in seinen Jackentaschen und hatte schließlich gefunden, was er suchte.
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