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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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hell, glich weder der Sonne noch dem Mond. Es umrahmte eine Silhouette, schien sie an den Übergängen gar zu durchdringen, so als sei das Wesen, welches darin stand, weder von dieser noch von der jenseitigen Welt.
    Starb er gerade?
    War dies schon das Ende? Er schloss die Augen. Giacomo wünschte sehr, dass es so war und dass sein Magen vor ihm das Zeitliche segnete.
    »Guck mich an«, sagte eine Stimme, die überraschend fest klang, nicht wie aus Licht gesponnen. Nüchtern und hart. Giacomo gehorchte. Ein Border-Collie trat aus dem kalten Licht der Straßenlaterne, das Fell verfilzt und ausgeblichen wie ein Pullover, der lange im Wald gelegen hatte. Grau hatte sich wie Fäulnis auf seinem Körper ausgebreitet, auch auf die Augen, welche wie Steine aussahen und kein Licht mehr ins Innere ließen.
    »Die Suche ist beendet, Giacomo. Ich bin der Spürer, lass uns gehen. – Aber wehe, du reiherst mich voll!«

 
    Kapitel 8
     
     
    DIE SPRACHE DER TOTEN
     
     
    S prich doch endlich! Worum geht es, Mutter?« Vespasian lief rückwärts vor Laetitia, um sie endlich zum Stehenbleiben zu bewegen.
    »Beim ausgebrannten Auto, dort sprechen wir. Nicht vorher. An diesem Platz wird uns niemand belauschen. Habe ich dich nicht Geduld gelehrt?«
    »Wer sollte uns denn hier hören?«
    »Die Kralle, sie ist überall. Und nirgends. Kannst du dir sicher sein, dass sie nicht irgendwo lauert? Das Auto steht in einer Lichtung, und es scheint unsere Stimmen zu fressen. Jetzt möchte ich keine Widerworte mehr von dir hören!«
    Vespasian legte sich ihr in den Weg. »Die Kralle ist sicher nicht in der Nähe. Sie bringt ständig Fressen zur Höhle der Großen Mutter. Also erzähle nun, worum es geht. Ich muss rasch zurück auf meinen Posten. Commodus ist bereits misstrauisch genug geworden. Mutter?«
    Laetitia war ohne anzuhalten am Zaun entlanggelaufen und setzte ihren Weg auch fort, als dieser endete, als nur Wald vor ihr lag, in den noch keine Schneise getrieben war, der keine Grenze kannte.
    Doch plötzlich senkte sie ihr Haupt und stolperte, obwohl keine Wurzel aus dem Waldboden hervorstand, obwohl kein Stein sie aus dem Tritt gebracht hatte. Es war, als hätten ihre Beine einfach nachgegeben, als wären sie plötzlich weich wie Blumenstängel geworden.
    Als der augenblicklich zu Laetitia rasende Vespasian bei ihr ankam, hatte sie sich bereits wieder aufgerappelt, stand da, das Haupt leblos am Körper hängend. Ein rötlicher Stein inmitten der grünbraunen Erde. Angst heftete sich gierig wie Zecken an Vespasians Körper. Der Geruch eines toten Artgenossen überschattete alles. Das Blut dieses Wolfes stach in seine Nase. Es war ihm fast, als nähere er sich seinem eigenen Leichnam, als erfahre er, wie er selber zu Waldboden und feuchter Erde wurde.
    Nun erkannte er den Wolf, der vermodernd neben einem Baumstamm lag, die Augen ausgestochen, der Bauch ausgeräumt. Eine Hülle, nicht mehr als eine Hülle.
    Sie gehörte Aurelius.
    »Komm näher«, sagte seine Mutter. »Du sollst dies sehen. Wende dich nicht ab! Schau hin, schau lange hin.« Sie begann die Stirn des toten Wolfes zu lecken. Vespasian kannte die Zärtlichkeit von ihren Liebkosungen neugeborener Welpen. Vorsichtig glitt Laetitias Zunge über den Kopf des toten Aurelius, als könnte sie ihn noch zum Leben erwecken, als würde er die Wärme spüren.
    »Ich habe genug gesehen, lass uns zum Auto gehen. Er hat seine letzte Ruhestätte erreicht.«
    Es war traurig, dass es der alte, kampferprobte Wolf nicht zurück zum Rudel geschafft hatte, so kurz vor dem Ziel. Nun war er selbst zur Speise anderer geworden. Es war nicht erfreulich, schließlich waren sie die Jäger, doch so war es für alle vorgesehen.
    » Sieh hin! «, herrschte ihn Laetitia an. » Mach deine Augen auf, du dummer Junge! «
    Nochmals blickte Vespasian auf Aurelius’ Leichnam. Als er sich nicht heranwagte, trieb Laetitita ihn mit der Schnauze voran, ihr Atem so schwer, als sei sie einen langen Weg gerannt.
    Dann sah er es.
    Der Bauch war aufgeschlitzt worden, die Krallenspuren stammten von Wölfen.
    Er kannte nur eine Wesenheit, die so vorging.
    Laetitias Stimme erklang direkt neben seinem Ohr. »Jetzt sieh dir den Waldboden an! Tiefer als die Abdrücke derjenigen, die sich an Aurelius vergangen haben, bohrten sich Pfoten dreier Wölfe hinein. Sie kamen von unterschiedlichen Seiten auf Aurelius zu, der nur kleine Schritte machen konnte, weil er Blut verlor, kraftlos war. Aurelius ist von seiner eigenen Art getötet

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