Tod & Trüffel
nur morgens und abends. Was hast du nur in deinem verschissenen Leben gelernt?«
Giacomo lächelte innerlich, denn er hatte den Spürer ein wenig aufregen können, und legte einen Zahn zu. Der Wegnach Rimella war nicht weit, wenn man wusste, wo sich die Abkürzungen befanden. Giacomo freute sich schon darauf, Niccolò zu sehen. Was würde der staunen, wenn er begriff, dass er noch ein letztes Mal mit seinem Menschen würde sprechen können. Abschied nehmen. Nur selten wurde ein Hund wie der Spürer geboren. Selbst die Menschen erzählten ihren Kindern und Kindeskindern von diesen besonderen Tieren. Die beim Tod ihres Herrchens, das in diesem Moment weit entfernt war, aufheulten. Es war eine Gabe, mit der Schattenwelt Kontakt aufnehmen zu können, doch auch ein Fluch. Denn es forderte viel vom Herzen eines Hundes.
Der alte Trüffelhund war froh, den Weg durch den dichten Wald zur Höhle des toten Sylvio gewählt zu haben, wo die Hunde ihr Quartier hatten. Denn so konnte er etwas sehen, bevor er gesehen wurde. Und dieses Etwas waren zwei Wölfe, die vor dem Eingang saßen.
»Warum hältst du an?«, fragte der Spürer. »Nicht schlappmachen, auch Tote bleiben nicht ewig.«
»Wölfe«, sagte Giacomo, und es klang wie das Eingeständnis einer Niederlage. »Dort, wo Hunde sein sollten.« Und er sah noch mehr. Rot gesprenkelt war der Boden vor dem Höhleneingang. Giacomos Nase sagte ihm, was es damit auf sich hatte. »Sie haben die Leiche des Mastiffs gerissen. Es ist nun ihre Höhle. Aber ich kann keinen Geruch anderer Toter unserer Art wittern. Die Hunde Rimellas müssen entkommen sein.«
»Was hat es mit den Wölfen auf sich? Du hast verdammt noch mal nichts davon gesagt, dass unsere wilden Brüder in die Sache verwickelt sind! Ich muss alles wissen. Hast du das verstanden?«
Giacomo unterdrückte seine Wut, die ihn an jene erinnerte, die er einst auf seinen herrischen Vater gehabt hatte. »Sie haben nichts mit dem toten Menschen zu tun.« Glaubte erzumindest. »Kannst du vielleicht eine Verbindung mit dem toten Sylvio herstellen? Er würde uns sagen können, was hier passiert ist.«
»Ich spüre keine Vibration in der Welt, nichts, das auf eine Brücke zum Jenseits hinweist. Dieser Sylvio muss bereits zu weit weg sein, oder seine Leiche wurde bewegt. Der Geist reißt dann ab. Es ist nur ein schmales Band, das uns auf der Erde hält. – Findest du nicht auch, dass es hier plötzlich saumäßig stinkt? Riecht noch schlimmer als deine Rotwein-Kotze.«
Die Ursache des Gestanks sprach nun zu ihnen. Es war Knorpel. »Ich hab gewusst, dass du zurückkommst!«
Giacomo drehte sich um und sah, wie der Golden Retriever sich ausschüttelte. »Worüber habt ihr gerade geredet? Über Sylvio? Ich hab es nicht genau mitbekommen, weil noch zu viel Ziegendreck in meinen Ohren steckt.«
»Will ich wissen, warum du da Ziegendreck hast?«, fragte Giacomo und kannte die Antwort eigentlich schon.
»Weil ich Essen drin gesucht habe! Manchmal kacken die Viecher doch tatsächlich auf gutes Futter. Man muss nur suchen, ohne Scheu. Soll ich dir das Gehege zeigen?«
»Nein, danke. Nettes Angebot. Aber du hast es gefunden, du darfst ... ernten.«
»Du bist echt großzügig, genau wie Niccolò erzählt hat.« Der Golden Retriever blickte versonnen zur Höhle. »Ist es nicht toll, wie Sylvio die Stellung hält? Wir anderen sind alle von den Wölfen vertrieben worden, aber er ließ sich nicht verjagen. Mittlerweile bringen sie ihm schon Fressen, große Mengen. Seltenes Menschenfutter sogar! Ich wette, er hat ihnen die Hölle heißgemacht und gezeigt, wer der Chef ist! «
Ein Schreien erklang in der Höhle, hoch und durchdringend.
»Hat er gerade Besuch, oder ist das seine Stimme?«, fragte Giacomo.
»Nein, Quatsch! Es sind bestimmt andere Tiere, die seinen Rat suchen. Aber man kommt ja nicht ran.«
»Also, wenn es um den Mastiff geht, der ist ... «, raunzte der Spürer.
»... wohlauf «, beendete Giacomo den Satz.
»Weiß ich doch!«, sagte Knorpel. »Ihr klingt ein bisschen verrückt, wisst ihr das?«
»Wenn du das sagst«, erwiderte Giacomo. »Kannst du uns zu Niccolò bringen? Wir haben eine Art Verabredung.«
Knorpel lief vor, Giacomo und der Spürer in gehörigem Abstand hinterher. Die Welt schien trotzdem nur nach Ziegendung zu stinken.
Das neue Lager der letzten Hunde Rimellas war eine umgestürzte, abgestorbene Eiche, die mit ihrem Wurzelwerk einen großen Klumpen Erde herausgerissen hatte: Gemeinsam mit ihrem Stamm
Weitere Kostenlose Bücher