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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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mochten sie auch nichts sehen können. Sein Atem wurde ruhiger, er drehte sich auf die Seite. Dann wurde es still, totenstill. Giacomo hörte überhauptnichts mehr. Er sah zwar, wie die Blätter sich über ihm in den Baumkronen bewegten, spürte den Wind in seinem Fell, wusste, dass er atmete, doch hören konnte er nichts, ebenso wenig riechen. Die Welt war wie unter Glas, als wäre sie von ihm getrennt worden, als gehörte er nicht mehr hierher.
    Der Mund des Spürers öffnete sich. Nur einen Spalt. Eiskalter Atem entströmte. Und Worte, die dumpf klangen, als wären sie schon Vergangenheit, bevor sie ausgesprochen wurden. Giacomo konnte sie hören, wie ein fernes Echo.
    »Er war auf einem ausgiebigen Spaziergang, als er ihn sah. Da drüben, nah an der Hügelkuppe, stand ein Mann mit silbernem Helm, lange Haare hatte er, und einen Bart. Dieser Mann machte etwas Verbotenes, er bereitete eine Explosion vor, er wollte den Berg einstürzen, nein, abstürzen lassen. Das sah der Tote, und er wurde wütend. Er schlug auf den Mann ein, beschimpfte ihn, riss die Kabel los. Dann«, der Spürer machte eine merkwürdige Pause, presste das Maul zusammen, als würde er sich selbst am Sprechen hindern. »Dann fiel ein Schuss, von hinten, er stürzte und starb.«
    »Hat er den Mörder gesehen?«, platzte es aus Niccolò heraus.
    »Nein. Es ging alles zu schnell.«
    »Waren Wölfe da?«
    »Keine Wölfe. Die Frage erstaunt ihn sehr.«
    »Wo sind meine anderen Menschen?«
    »Er sagt, sie müssten zu Hause sein.«
    »Sind sie aber nicht. Sind sie auch ... tot? Sind sie bei ihm?«
    »Er ist hier, und sie sind es nicht. Ob ihre Seelen sich schon von den Körpern gelöst haben, weiß er nicht.«
    »Wo kann ich sie dann finden?«
    »Er ist tot, kein Hellseher.« Dies klang wieder mehr wie die missmutige Stimme des Spürers.
    »Was soll ich tun? Frag ihn das! Er soll es mir sagen.«
    »Er würde gerne seine Lieben wissen lassen, dass er an sie denkt. Doch du wirst es nicht ausrichten können. Ihr sprecht nicht dieselbe Sprache. Sein Wunsch wird unerfüllt bleiben.«
    »Sag ihm, dass er mir wichtig war!«
    »Er hatte dich auch ins Herz geschlossen«, antwortete der Spürer. »Auch wenn es ein Stück Weg für ihn war.« Niccolò schwieg.
    Und legte sacht eine Pfote auf den Leichnam.
    Giacomo fragte sich, was jetzt wohl in dem kleinen Hund vorging. Was hätte er an seiner Stelle noch gesagt? Was würde er seinem alten Trüffelsucher mit auf den Weg geben wollen, gäbe es die Möglichkeit?
    »Alles Gute«, sagte Niccolò, und der alte Lagotto Romagnolo konnte hören, dass er mit den Worten nicht zufrieden war. Dass sie ihm nicht reichten, doch keine besseren da gewesen waren.
    Plötzlich sprang der Spürer auf, biss in die Luft, schien mit etwas zu ringen, zog dann den Kopf blitzschnell zurück, und die Welt mit ihren Geräuschen und Gerüchen fiel mit einem Mal wie ein Schwall heißes Wasser auf Giacomo und die anderen Hunde.
    »Er ist fort«, sagte der Spürer. »Mehr wollte er nicht sagen. Er war dankbar, dass er dies noch durfte, arme Seele.« Er kam auf Giacomo zu und sprach leise, das Flüstern war heiß und gierig.
    »Jetzt werde ich endlich entlohnt. Komm mit, Giacomo. Du hast es versprochen!«
     
    Giacomo war einfach verschwunden und hatte ihn mit den Antworten allein gelassen. Antworten, zu denen nun unzählige Fragen krochen, wie Maden zu einem faulenden Apfel. Niccolò drehte sich um, wollte Canini davon erzählen, dochdiese rannte fort, zum wild wuchernden Ufer des kleinen Tümpels. Isabella kniete nackt darin und schüttete sich klares, kaltes Wasser mit einem Messbecher aus Plastik über die Schultern, ließ es immer wieder genussvoll über Brüste und Bauch laufen. Niccolò faszinierte, dass Menschen nur an so wenigen Stellen Fell hatten. Einzig Schweine ähnelten den Menschen, doch schienen die Vierbeiner nicht den gleichen Wert auf Sauberkeit zu legen.
    Er ging näher ans Ufer zu Canini. Sie redete wenig mit ihm. Es hatte nichts geholfen, ihr zu sagen, wie sehr Isabella sie liebte und dass die Gefühle, die sie für Niccolò hegte, da nicht mithalten konnten.
    »Komm her«, rief Isabella ihm plötzlich zu. »Komm ins Wasser, Niccolò! Ich mach dich sauber. Oder stör ich euch zwei gerade? Ihr seid ja schon ein süßes Paar. Auch wenn meine Prinzessin gerade zickt, doch so sind sie eben, die Damen von Welt.« Niccolò sprang ohne zu zögern zu ihr in den Tümpel, das Wasser reichte ihm bis zum Hals. »Mach dir nichts draus,

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