Tod an der Förde
Kaffee ist mit
Wasser gekocht, das der Reinheit der unberührten nordischen Natur entsprungen
ist. Gefiltert durch den Fels an Europas Nordspitze, geklärt durch die Tundra
in der Weite Finnlands, hat es über die Ostsee seinen Weg zu mir gefunden …«
»… und aromatisiert mit dem Altöl levantinischer
Schrottfrachter und dem Inhalt der Fährschiffstoiletten«, ergänzte Vollmers und
zeigte Horstmann einen Vogel. Sein langjähriger Kollege hatte ihn mit der ihm
eigenen Fröhlichkeit angesteckt. »Deine Phantasie und Rothschilds Geld«,
lästerte Vollmers, »dann ginge es uns gut. Und was ist? Stattdessen jagen wir
so spannenden Fragen hinterher wie, ob Potthoff-Melching schwul ist.«
»Warum will Lüders das wissen?«, fragte Horstmann.
Vollmers erklärte es ihm.
»Wir haben keinen Hinweis auf eine homosexuelle
Neigung des Lehrers. Allerdings gibt es auch keine Kontakte zur Weiblichkeit«,
schloss er ab.
»Also ein Neutrum.«
Vollmers klopfte mit der Spitze seines Kugelschreibers
auf die Schreibtischplatte.
»Mich ärgert dieser Brechmann. Warum torpediert der
Oberstaatsanwalt die Arbeit der Polizei? Wir hatten die Entscheidung des
Richters, dass Taylors Bodyguard abgeschoben werden sollte. Wie hat Brechmann
es geschafft, dass wir Wartanjan freilassen mussten? Die Kaution von
fünfhundert Euro ist doch lächerlich.«
»Haben wir etwas über diesen Typen erfahren können?
International?«
»Nein«, sagte Vollmers. »Gegen Andranik Wartanjan aus
Goris in Armenien liegt nichts bei uns vor. Und auch bei Interpol ist er ein
Unbekannter.«
»Und welchem glücklichen Umstand verdankt er es, dass
er frei ist?«
»Wenn ich es richtig verstanden haben«, erklärte
Vollmers, »hat Taylor beim Werftvorstand Vanderborg Rabatz gemacht. Der hat
sich, so vermute ich, mit von Glahn in Verbindung gesetzt, und über den wurde
Druck auf Brechmann ausgeübt. Im Unterschied zu Kremer ist der Oberstaatsanwalt
aber eingeknickt.«
»Oder er hat Angst und befürchtet, genauso zu enden
wie sein Vorgänger«, überlegte Horstmann. »Dafür habe ich eine Neuigkeit. Die
Kriminaltechnik hat die Geschosse untersucht, die heute Nacht auf Lüders
abgegeben wurden. Es handelt sich um Neun-Millimeter-Geschosse. Die Waffe war
wahrscheinlich eine Luger. Auch in diesem Fall gibt es keine Anhaltspunkte
dafür, dass mit dieser Pistole schon einmal eine Straftat verübt wurde.«
Vollmers kratzte sich am Hals. Die Stoppeln seines
gepflegten Barts hinterließen ein deutlich wahrnehmbares Geräusch.
»Hmmh! Eine der Kuriositäten in diesem Fall. Bisher
ist noch keine einzige Waffe zweimal verwendet worden. Was sind das für Leute
auf der Gegenseite?«
»Profis«, antwortete Horstmann. »Zumindest scheinen
sie über ein schier unerschöpfliches Waffenarsenal zu verfügen. Und mit dieser
Verwirrtechnik, ständig andere Waffen zu benutzen, verwischen sie auch die
kleinste Spur. Die Logistik ist exzellent. Ich weiß nicht, welche Zeitung unser
Gegner liest. Mit Sicherheit steckt ein kluger Kopf dahinter.«
»Da hast du Recht«, stimmte Vollmers zu. »Mal was
anderes. Lüders hat mich gebeten, hinter den beiden Journalisten
herzurecherchieren.«
»Und?«
»Bei da Silva ist es ein aussichtloses Unterfangen.
Offenkundig heißt in Südamerika jeder zweite Zeitungsmensch so. Auf die
Schnelle ist da nichts zu machen.«
»Hast du was über diese Tante, diese Vanderborg,
herausgefunden?«
»Ich habe mich heute Morgen, gleich nachdem Lüders
mich darum gebeten hatte, mit der Botschaft in Pretoria in Verbindung gesetzt.
Die haben mich ans Safmarine House verwiesen«, tat Vollmers geheimnisvoll.
»Was ist das schon wieder?«
Der Hauptkommissar genoss es einen kleinen Augenblick,
Horstmann zappeln zu lassen.
»Im Safmarine House in der Riebeeck Street in Kapstadt
betreibt die Botschaft eine Außenstelle. Dort habe ich mit einem Herrn Köhler
gesprochen.«
»Wen du alles kennst! Ist unser Horst dort zum
Staatsbesuch?«
Vollmers schaute einen Moment irritiert über
Horstmanns Einwand.
»Quatschbeutel! Ich habe keine Ahnung, was der
Kapstädter Köhler dort macht, könnte mir aber gut vorstellen, dass er im –
sagen wir mal – Sicherheitsbereich tätig ist.«
»Ein Schlapphut?«
»Jedenfalls konnte er mir die Frage nicht sofort
beantworten, meinte aber, es wäre kein Problem, das kurzfristig
herauszubekommen. Er wollte sich heute noch melden.« Vollmers sah auf die Uhr.
»Ich rufe ihn mal an.«
Er tippte eine endlos lange Nummer ein.
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