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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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Veste Recklinghausen, heute verlief sie zwischen dem Kreis Duisburg in der Rheinprovinz und dem Kreis Recklinghausen in der Provinz Westfalen. Wenn die Übeltäter sich über die Provinzgrenze davongemacht hatten, dann waren sie der Rheinischen Gerichtsbarkeit und dem Sterkrader Polizeidiener Martin Grottkamp zunächst einmal entkommen.
    »Wenn sie rüber sind ins Westfälische, nach Bottrop oder Osterfeld, dann wird’s schwierig für uns«, stellte Gemeindevorsteher Overberg nach dem Bericht seines Polizeisergeanten treffend fest. Er trommelte mit den Fingerspitzen auf sein Stehpult, zupfte an seinen Ärmelschonern herum und entschied dann: »Sie hören sich in Sterkrade um, wie Sie es den Brandts versprochen haben! Und ich werde mich schriftlich nach Bottrop und Osterfeld wenden und meine Herren Kollegen auffordern, dortselbst entsprechende Nachforschungen zu veranlassen.«
    Grottkamp saß am Rande des roten Teppichs auf dem Stuhl, den Overberg ihm allmorgendlich anzubieten pflegte. Die Entscheidung, die sein Vorgesetzter in der Angelegenheit Felddiebstahl traf, war ganz in seinem Sinne.
    »Sehr wohl, Herr Vorsteher«, sagte er zufrieden.
    »Diese nächtlichen Diebstähle auf den Feldern und in den Gärten sind eine vermaledeite Teufelei«, ereiferte Overberg sich. »Wir müssen alles dransetzen, sie zu unterbinden. Wenn wir die Kerle in die Finger bekommen, ist es unbedingt notwendig, ein Exempel zu statuieren. Falls die Kartoffeln dieser Familie Brandt allerdings unauffindbar bleiben, sollten wir den braven Leutchen irgendwie unter die Arme greifen. In diesem Fall würde ich dem Gemeinderat eine Sonderzahlung aus der Armenkasse vorschlagen.«
    »Eine ausgezeichnete Idee«, befand Grottkamp.
    Overberg winkte ab. Das Thema Felddiebstahl war für ihn erledigt. Unvermittelt kam er auf die Reparatur der Gefängnistür zu sprechen.
    »Nun sagen Sie mal Grottkamp, haben Sie sich denn nicht darüber gewundert, wie zügig die Tür im Polizeigefängnis instand gesetzt worden ist?«
    Es war offensichtlich, dass der Herr Vorsteher ein wenig Bewunderung für sein schnelles Handeln bei der Vergabe des Reparaturauftrages erwartete.
    »Sehr erfreulich, sehr erfreulich«, sagte Grottkamp. Er hielt es für richtig, sein dramatisches Zusammentreffen mit dem Schreiner Theodor Verstegen im Pitterkasten nicht zu erwähnen.
    Carl Overberg lächelte selbstzufrieden.
    Das Thema Cholera war nicht so schnell abzuhandeln. Achtzehn Krankheitsfälle gab es inzwischen in Sterkrade. Die Zahl der Toten war auf sechs gestiegen, sieben Patienten waren über den Berg und befanden sich auf dem Wege der Besserung. Fünf Kranke lagen derzeit im kritischen Zustand in der Baracke. Die befürchtete explosionsartige Ausbreitung der Epidemie war jedoch bislang ausgeblieben, was Overberg vor allem auf die von ihm selbst veranlassten effektiven behördlichen Maßnahmen zurückführte. »Also Grottkamp, weiter so wie bisher!«, lautete sein Fazit. »Die Menschen zur Vorsicht mahnen und sie aufklären! Das haben Sie bis jetzt ganz hervorragend gemacht.«
    Den Vorschlag seines Polizeisergeanten, größere Menschenansammlungen für eine Weile zu unterbinden, um die Gefahr einer Übertragung der Seuche zu verringern, lehnte Carl Overberg kategorisch ab.
    »Wenn ich an das Konzert denke, das unsere beiden Gesangvereine Cäcilia und Frohsinn gemeinsam geben wollen, dann wird es mir schon ein wenig mulmig«, begründete Grottkamp seinen Vorstoß. »Da drängen sich dann ein paar hundert Leute in einem Saal zusammen. Und wenn einer von denen die Seuche hat, dann haben wir nachher vielleicht zwanzig neu Erkrankte.«
    »Unsinn«, meinte Carl Overberg. »Zu diesem Konzert bin ich als Ehrengast geladen, und ich habe mein Kommen schon zugesagt.«
    Der Gemeindevorsteher verließ den Platz hinter seinem Stehpult und begann im Bureau auf und ab zu gehen. Irgendwann blieb er am Ende des roten Teppichs, kurz vor dem mannshohen Gussofen, stehen. Quer durch das geräumige Amtszimmer redete er auf seinen Polizeidiener ein.
    »Wie denken Sie sich das überhaupt, Grottkamp? Sollen wir den Leuten auch untersagen, am Sonntag in die Messe zu gehen oder am Abend in die Schänke? Das geht doch nicht! Die Menschen brauchen Normalität. Gerade in Zeiten wie diesen. Stellen Sie sich doch mal vor, wir würden unsere Sterkrader daran hindern, am Sonntag in der Kirche Trost bei unserem Herrgott zu suchen! Nein Grottkamp, durch solche Verbote würden wir nur für Unruhe in der Bevölkerung

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