Tod auf Bestellung
Deal mit dem Staatsanwalt.« Decker blätterte in aller Seelenruhe in den Unterlagen. »Die Spuren am Tatort waren nicht eindeutig. Also hat der Staatsanwalt auf die Forderung nach der Todesstrafe verzichtet, wenn Sie im Gegenzug durch ein Geständnis die Unklarheiten beseitigen.«
»Das hab ich getan. Und jetzt sitz ich hier.« Wilford hob die Hände und zeigte seine Ketten. »Was hätte ich davon, wenn ich jetzt mehr erzähle?«
»Es gibt Gefängnisse, in denen hätten Sie es sehr viel unbequemer. Und ich frage mich, was die Bewährungskommission dazu sagen würde, wenn herauskommt, dass Ihr Geständnis falsch ist und Sie weiterhin einen Mörder decken.«
Wilford starrte sie düster an und schwieg.
»Es würde Ihre Chancen auf eine vorzeitige Begnadigung sicherlich eher ungünstig beeinflussen, und Sie könnten noch sehr lange hier bleiben.«
Wilford schwieg weiterhin.
»Wen decken Sie?«, fragte Decker. »Und vor allem, warum? Nach allem, was wir heute wissen, ist vermutlich Ihr Komplize der Haupttäter, und Sie sitzen für ihn die Strafe ab.«
Wilford schnaufte. »Wenn es so einfach wäre. Er war jünger als ich. Keiner hätte mir geglaubt, dass ich nicht derjenige war, der das Sagen hatte. Außerdem, wenn ich ihn verpfiffen hätte, wären wir am Ende zusammen hier gelandet. Und das hätte ich mir als Letztes gewünscht.«
Decker beugte sich vor. »Wer ist der Mann?«
*
»Es war ein Auftragsmord«, sagte Decker. Sie telefonierte mit Cotton noch vom Mietwagen aus, auf der Rückfahrt nach Atlanta. »Irgendein Dealer, wohl ein größerer Fisch damals, hat Wilford und seinem Komplizen jeweils tausend Dollar gezahlt, damit sie an ihrem Opfer ein Exempel statuieren.«
»Und warum hat der Bursche vorher nie davon gesprochen?« Cottons Stimme drang ein wenig unklar aus dem Handy. Decker fragte sich, ob die Verbindung in die andere Richtung besser war.
»Wer legt sich schon gern mit einem Gangsterboss an?«, erwiderte sie. »Der Staatsanwalt hätte damals etwas mehr Druck machen sollen, um die ganze Geschichte zu hören. Aber er hatte, was er wollte – einen rasch aufgeklärten Fall. Und aus eigenem Antrieb hat Wilford sich nicht getraut, die anderen schweren Jungs ans Messer zu liefern.«
»Wie wirkt er auf Sie?«, wollte Cotton wissen.
»Ein bisschen weich. Keine Ahnung, ob er allein die Tat überhaupt durchgezogen hätte. Aber sein Komplize hat die Sache dann in die Hand genommen, eiskalt und mit großem Vergnügen, wenn das irgendwie zusammenpasst. So hat Wilford es jedenfalls beschrieben. Der Mann, nach dem wir suchen, war damals noch ein junger Bursche. Trotzdem hat er Wilford eine Heidenangst eingejagt.«
»Und wer ist der Typ? Konnte Ihr Knacki uns da weiterhelfen?«
»Er konnte uns den Jungen beschreiben, den er damals gesehen hat. Aber das ist sechzehn Jahre her. Sie haben vermutlich mehr gesehen, als Sie den Killer bei seinen Doktorspielen überrascht haben. Wilford wusste sonst nichts über ihn. Er kannte nicht mal seinen Namen. Der Junge hat darauf bestanden, dass Wilford ihn ›Mercury‹ nennt. So geschmeidig und tödlich wie Quecksilber wollte er sein.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Cotton antwortete: »Wie es aussieht, bekommen Sie doch noch Ihren Psycho.«
»Von der schlimmsten Sorte«, erwiderte Decker. »Kein Arzt, sondern ein Möchtegernmediziner. Einer, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Und wenn er bis heute nicht damit aufgefallen ist, hat er wohl ziemlich schnell gelernt. Er hat sich damals für seine Tat bezahlen lassen, und es spricht nichts dagegen, dass er heute noch genauso arbeitet. Ich nehme also an, Sie haben ebenfalls recht. Gut möglich, dass es Hintermänner gibt, und dass Sie mit den Organen für Transplantationen auf der richtigen Spur sind. Nur dass nicht unser Täter die treibende Kraft ist, sondern andere.«
»Wenn wir den Burschen erwischen, finden wir auch seine Auftraggeber«, sagte Cotton. »Meinen Sie, Sie kommen in Atlanta weiter?«
Decker dachte nach. »Ich nehme mir Wilfords früheres Umfeld noch einmal vor, ehe ich zurückfliege. Aber ich fürchte, die Fährte ist kalt. Der Boss, für den Wilford gearbeitet hat, wurde schon vor zwölf Jahren erschossen. Es spricht wohl nichts dagegen, wenn Sie mit Ihrem Plan weitermachen.«
*
Das Safe House in der Bronx war in Wahrheit nur eine Wohnung. Sie lag unauffällig in einem sechsstöckigen Mietshaus ohne Aufzug, in einem Block, der weder für seine gute Nachbarschaft bekannt war noch für seine gute
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