Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
Carmen beeindruckt. »Das ist ja wirklich
interessant. Hast du sonst noch was gesehen?«
Er schaute sich wieder um. »Gestern nicht, aber heute Mittag,
nachdem Sie und Ihre Kollegen die vielen Leute befragt hatten, waren meine
Eltern auf unserem Boot wieder mal beschäftigt, und ich bin wieder zur
Südküste. Aber diesmal etwas weiter westlich. Da schwamm so ein Taucher, aber
der bewegte sich gar nicht. Und um ihn herum war alles rot.«
»Richtig rot, und er machte keinen Mucks?«
Thorsten nickte heftig. »Also, wenn Sie mich fragen, war der mausetot.«
»Wann war das?«
»Mit dem Toten?«
»Ja.«
»Vorhin erst, der kann nicht weit gekommen sein, wenn sie ihn nicht
eingesammelt haben.«
»Wer?«
»Na, die mit dem U-Boot.«
Carmen nickte. »Ich verstehe.« Sie überlegte, was sie dem Jungen nun
sagen sollte.
»Sind Sie jetzt doch böse?«, fragte er.
»Warum sollte ich böse sein? Ich glaube dir, dass du das alles wirklich
gesehen hast.«
Der Junge war erleichtert, endlich einen Erwachsenen gefunden zu
haben, der ihn ernst nahm. »Und nun?«
»Nun werde ich meinem Chef von deinen Beobachtungen berichten.«
»Moment«, protestierte der Junge. »Sie haben mir versprochen, dass
Sie das nicht weitererzählen.«
Sie lächelte ihn an. »Es muss sein. Aber du kannst ganz sicher sein,
dass dein Name nirgendwo erwähnt wird.«
***
Mira und die Gräfin warteten nun schon seit Stunden darauf, dass
irgendwo neben ihnen ein U-Boot auftauchen würde. Fast viertelstündlich
verschickte Mira eine SMS mit ihrem aktuellen
Standort, aber nichts tat sich. Nur die See wurde immer kabbeliger.
Fatma ging es deutlich schlechter. Zwar hatte sie gerade die letzte
Morphinladung aus dem Notfallpack bekommen, das Mira dabeigehabt hatte, doch
sie schien Fieber zu haben. Ihr Körper wurde von Schüttelfrost geplagt.
»Ich fürchte, sie hat sich in der See einen Infekt geholt«, meinte
Mira besorgt.
»Oder sie friert einfach nur.« Gräfin Rosa tastete Fatmas spärliche
Kleidung ab. »Sie ist ja immer noch pitschnass. Wenn wir sie nicht schleunigst
aufwärmen, wird sie sich wirklich einen Infekt holen.«
»Etwas anziehen geht nicht, dann müssten wir sie von dem Brett
losschnallen. Aber wir wissen nicht, wie schwerwiegend ihre
Rückenmarksverletzungen sind. Das könnte ihr Tod sein.« Mira war mit ihrem
Latein und auch mit ihren Nerven am Ende. Ihr schossen Tränen in die Augen.
»Also müssen wir uns zwischen Teufel und Beelzebub entscheiden.«
»Sieht so aus.« Mira legte wie in Trance die Pistole zwischen sich
und die Gräfin. Sie griff nach einem Paket Tempotücher, die Rosa neben sich
gelegt hatte. Noch während des Schnaubens begriff sie, dass sie einen Fehler
gemacht hatte, aber da war es schon zu spät. Rosa hatte die Pistole bereits an
sich genommen und zielte auf sie.
»Was nun? Wollen Sie mich erschießen?«
»Nein«, erwiderte Rosa. Die Waffe flog im hohen Bogen in die See.
»Das Ding taugt in unserer Situation sowieso nichts. Ich weiß zwar nicht,
warum, aber ich mag Sie viel zu sehr, als dass ich auf Sie schießen wollte.«
Jetzt flossen bei Mira Tränen. »Eben habe ich Sie noch entführt, und
nun heule ich Ihnen Rotz und Wasser vor.« Sie wischte sich über ihre nassen
Wangen. »Ich fürchte, ich bin eine lausige Kidnapperin.«
Rosa rückte an sie heran und drückte ihren zitternden Körper ganz
fest an sich. » Nobody’s perfect. Dafür sind sie eine
umso bessere Freundin.«
Mira genoss diese menschliche Geste aus vollem Herzen. Erstaunt
beobachteten die beiden, wie Filou sich eng an Fatma kuschelte, ganz so, als
wolle er ihr von seiner Wärme etwas abgeben. Schon nach kurzer Zeit hörte sie
auf zu zittern.
»Etwas Nähe und Wärme scheinen auch Ihrer Kollegin gefehlt zu
haben«, sagte die Gräfin.
»Aber das darf nicht sein.« Mira schniefte. »Fatma ist Muslima, und
Ihr Schwein ist ein Schwein.«
»Wo ist das Problem?« Rosa zuckte mit den Achseln. »Ich sehe kein
Schwein und keine Muslima, ich sehe nur, wie ein Geschöpf Allahs einem anderen
Geschöpf Allahs, das in Not ist, lebenswichtige Wärme spendet.«
Mira flüsterte fast. »Aber die Mullahs würden sich darüber
entsetzen.«
»Wo kein Kläger, da kein Richter«, erwiderte Rosa. Sie zeigte auf
den blauen Himmel. »Was interessieren uns die Mullahs? Gott scheint es völlig
in Ordnung zu finden, und das ist das Wesentliche.« Sie nickte Filou zu. »Du
kannst ruhig weiterkuscheln.«
Mira horchte auf. »Sie reden Deutsch mit dem Schwein?«,
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