Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
der Himmel,
wie wir sie nennen sollen, heute Abend in der Kirche haben, und zwar komplett
mit Kind und Kegel.«
Berger sah ihn zweifelnd an. »Und wer soll dieses Kunststück bis
heute Abend vollbringen?«
»Ich kenne niemanden, der dafür geeigneter wäre als unsere Carmen.«
»Ich werde sie dabei unterstützen und die Seelsorger der Familien
anweisen, den Unwilligen so lange die Hölle heißzumachen, bis sie auch kommen.
Gibt es sonst noch etwas, womit ich helfen kann?«
Berger grinste. » Sí , Señor, Sie könnten
unserem Comisario für heute Abend Ihre Soutane pumpen.«
10
Während der Überfahrt war García Vidal nur mit seinem Telefon
beschäftigt. Der Bischof und Berger schwiegen eine Weile miteinander, dann
kamen sie aber doch ins Gespräch.
»Señor Berger, was haben Sie eigentlich gegen mich?«
Der Residente lächelte. »Bis auf die Tatsache, dass in Ihrer
Gegenwart meine alte Kirchenallergie wieder ausbricht und dass Sie für einen
Bischof viel zu jung, viel zu reich, viel zu gut aussehend und viel zu
neugierig sind, und abgesehen davon, dass Sie irgendetwas im Schilde führen,
womit Sie aber nicht rausrücken, sind Sie eigentlich ein ganz netter Kerl.«
»Wie hat denn Ihrer Meinung nach ein Bischof auszusehen?«
»Tattrig, scheinheilig und notgeil.«
Crasaghi schüttelte lachend den Kopf. »Da habe ich wohl richtig
Glück, dass Sie keine Vorurteile haben.«
»Die habe ich zweifelsohne, oder ist das ein Privileg Ihrer
Kollegen?«
»Absolut nicht.« Crasaghi überlegte kurz. »Ihr Freund Tomeu war im
Knast?«
» Sí , Señor.«
»Schuldig?«
» Sí , Señor.«
»Und Sie haben ihm eine Chance gegeben?«
» Sí , Señor, weil er es verdient hat. Er
ist nämlich im Grunde ein guter Kerl, und vor allem ein Mensch mit allen Vor-
und Nachteilen.«
»Was unterscheidet mich von Tomeu? Wenn ihr mich stecht, blute ich
nicht? Wenn ihr mich kitzelt, lache ich nicht? Wenn ihr mich vergiftet, sterbe
ich nicht?«
Berger lachte auf. »Dass ausgerechnet ein Kirchenfürst Zitate für
sich beansprucht, die William Shakespeare einem jüdischen Kaufmann in den Mund
gelegt hat, ist schon erstaunlich. Sie haben übrigens vergessen: ›Und wenn ihr
uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?‹«
»Und, sollen wir?«
Berger winkte ab. »Wenn ihr es nur einmal tätet. Aber nein, vor den
Mächtigen kuscht ihr, und den Kleinen droht ihr. Das war während der
Inquisition so, und daran hat sich bis heute nichts geändert.«
»Glauben Sie an Gott, Señor Residente?«
»Sie werden lachen, manchmal ja. Das kommt allerdings ganz auf die
Tagesform an. Wenn ich super drauf bin, manchmal, aber auch, wenn ich völlig
durch den Wind bin. Beides.«
»Also immer dann, wenn Sie etwas vor Kummer oder vor Glück nicht
ganz so schnell wie gewohnt verarbeiten können.«
Berger wurde stutzig. »Das könnte hinhauen.«
»Sie haben einen hohen Intellekt, Señor. Doch selbst Sie brauchen
manchmal einen Gott, um alles, was auf Sie einströmt, bewältigen zu können.«
Berger hatte Schwierigkeiten zu schweigen, aber ihm blieb nichts
anderes übrig, Crasaghi hatte recht. »Ich brauche für mein Verhältnis zu meinem
Gott jedenfalls keine fremde Kirche.«
»Dann gratuliere ich Ihnen. Es gibt aber viele Menschen, die uns
benötigen, weil sie nicht über ein so großes geistiges Potenzial verfügen wie
Sie. Sie brauchen uns, damit wir sie durch ihr beschissenes Leben führen. Die
Religionen, Señor Berger, haben etwas erfunden, was es im Grunde gar nicht
gibt, den ›guten Menschen‹. Unsere Schäfchen versuchen wenigstens, ein guter
Mensch zu sein. Wer redet denn sonst noch von Ethik und Moral? Andererseits
sind selbst wir ganz normale Menschen und haben unsere Probleme damit, die
eigenen Vorgaben zu erfüllen. Unter tausend von uns Kirchenleuten finden Sie
mindestens hundert, entschuldigen Sie bitte den Ausdruck, Arschlöcher. Mit
denen will selbst ich nichts zu tun haben. Doch die Kirche lebt und ist, Gott
sei Dank, voller Menschen, Señor, und darunter sind eben diese Arschlöcher. Zum
Licht gehört nun mal der Schatten.«
»Wenn die Kirchenleute selbst zu den Blinden gehören, warum faselt
ihr dann ständig vom Sehen?«
»Weil es das Ziel unserer Botschaft ist. Sie verlangen von einem Lottolosverkäufer
ja auch nicht, dass er selbst schon mal sechs Richtige gehabt hat, bevor er
Lose verkaufen darf. Und wenn Sie meinen, dass Sie zu den Sehenden gehören,
dann kommen Sie und nehmen uns an die Hand.«
»Menschenskinder«,
Weitere Kostenlose Bücher